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Der Erdbeerpfluecker

Der Erdbeerpfluecker

Titel: Der Erdbeerpfluecker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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ist mir nicht gerade auf den Leib geschrieben. Dabei hatte ihre Mutter sie gar nicht getröstet. Sie hatte die Dinge einfach wieder ein wenig zurechtgerückt. Betrachte die Probleme realistisch, und du hast sie schon halb gelöst. Das war ihr Motto. Und sie kam offenbar bestens damit klar. Jedenfalls hatte sie Imke noch nie um Hilfe gebeten.
    »Schick die Mädchen doch für eine Weile zu mir.«
    »Jette und Merle sind aus dem Alter heraus, in dem man sie irgendwohin schicken konnte, Mama.«
    »Kannst du es nicht versuchen?«
    Die Idee war nicht schlecht. Wenigstens wären sie nicht allein in ihrer Wohnung, wo jeder der Mieter die Haustür offen stehen lieߟ, wie es ihm gerade passte.
    »Ich denke darüber nach«, versprach Imke.
    »Was macht dein neues Buch?«, wechselte ihre Mutter das Thema und wagte sich damit auf dünnes Eis. Ihre Ansichten über Literatur klafften weit auseinander.
    »Es läuft ganz gut«, wich Imke aus.
    »Und welches Thema hast du dir diesmal ausgesucht?«
    War da echtes Interesse herauszuhören? Machte die Mutter nur Konversation? Imke war sich nicht sicher. »Ich verarbeite die Morde an Caro und Simone Redleff.«
    »Das ist nicht wahr!« Ihre Mutter lieߟ die Tasse sinken. »Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass man eine Katastrophe auch... herbeireden kann?«
    »Du meinst, indem ich darüber schreibe?«
    »Genau.«
    »Ich glaube nicht an solche Sachen, Mutter.«
    »Sachen!«
    »Dieses ganze esoterische Zeug. Das ist doch Spinnerei.«
    Das hätte sie nicht sagen dürfen. Aber die Worte waren schon heraus. Sie konnte sie nicht wieder zurücknehmen.
    »Entschuldige, Mama. Ich wollte damit nicht sagen...«
    »Schon gut. Ich weiߟ ja, dass du von diesen Dingen nichts hältst.«
    »Es tut mir gut, mich mit dem Thema zu beschäftigen«, sagte Imke. »Auf diese Weise arbeite ich meine ߄ngste ab. Ich banne sie einfach auf Papier.«
    »Auf den Bildschirm, meinst du.«
    »Natürlich. Auf den Bildschirm.«
    Sie lachten, und das Lachen hatte etwas Befreiendes. Ein Segelflugzeug schwebte lautlos über ihnen. Die Mücken tanzten in einer dichten Wolke vorm Küchenfenster. Die Luft schmeckte nach Sommer.
    Lass mein Kind in Ruhe, dachte Imke. Lass mein Kind in Ruhe.
    Ihr wurde bewusst, dass sie in Gedanken mit dem Mörder sprach. Mit dem wirklichen Mörder, nicht mit seinem Ebenbild, das sie sich beim Schreiben vorstellte. »Komm, Mutter«, sagte sie und rieb sich die Arme. »Gehen wir ins Haus. Es wird allmählich frisch.«
     
    Frisch? Imkes Mutter sah ihre Tochter erstaunt an, sagte aber nichts. Es war heiߟ wie lange nicht mehr. Sie stand auf und folgte Imke ins Haus. Auf der Türschwelle drehte sie sich noch einmal um.
    Was ihr zuallererst aufgefallen war, als ihre Tochter dieses Haus bezogen hatte, war das Fehlen sämtlicher Zivilisationsgeräusche. Damals hatte sie das als angenehm empfunden. Inzwischen dachte sie anders darüber.
    Imke sollte nicht allein hier leben. Dieser Tilo sollte zu ihr ziehen. Bis man den Mörder gefasst hätte.
    Sie mochte den Freund ihrer Tochter nicht. Er hatte zu scharfe Augen. Man hatte ständig das Gefühl, von ihm entlarvt zu werden. Aber er war nun mal der Einzige, der verfügbar war.
    »Könnte dieser Tilo nicht für eine Weile zu dir ziehen?«, rief sie in Richtung Küche, wo sie Imke mit Geschirr klappern hörte. Sie zog die Terrassentür hinter sich zu und verriegelte sie sorgfältig.
    »Wann hörst du endlich auf, ihn 
dieser Tilo
 zu nennen, Mutter?«
    Ja. Wann? Sie seufzte. Es war schwer, Streit zu vermeiden, wenn sie beide so hellhörig waren. Wenn keinem von beiden auch nur die feinste Nuance eines Satzes oder einer Betonung entging.
    Ein Hund wäre auch nicht übel, dachte sie. Ein groߟer, kräftiger mit Raubtierpranken. Einer, der sein Leben geben würde, um sein Frauchen zu beschützen. »Und wenn du dir einen Hund anschaffst?«, rief sie.
    »Einen Hund? Sonst noch was?«
    Sie seufzte noch einmal. Ihre Tochter war immer so schrecklich furchtlos, wenn es um sie selbst ging. Als würde ein geheimer Zauber sie unsterblich machen.
    Also gut, dachte sie. Gehe ich zu ihr in die Küche und bringe ihr schonend bei, dass sie sich irrt. Dass sie nicht leben kann wie unter einer Tarnkappe. Dass sie durchaus verwundbare Stellen hat.
    Und wir werden uns schlieߟlich doch wieder streiten. Und ich werde mir Vorwürfe machen und sie sich auch. Und etwas später werden wir telefonieren und uns entschuldigen und uns fest vornehmen, das nächste Mal

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