Der Erdbeerpfluecker
Kamera lachte! Wie schön sie war! Und wie vertraut. Sie war immer noch ein Teil von ihm.
Er schaffte es zu lächeln. »Ich hätte euch gern geholfen.«
»Wobei?«, fragte Merle und sah ihn abschätzend an. So ungefähr hatte er sie sich vorgestellt und auch Caro hatte sie so beschrieben: kühl, logisch, geradeheraus. »Aber mit einem wunderbaren, ganz, ganz weichen Kern«, hatte Caro hinzugefügt.
»Sie zu finden«, sagte er schnell. »Ihr sucht sie doch, oder nicht? Ich meine, wozu zeigt ihr sonst ihr Foto herum?«
»Eigentlich«, sagte Jette, »suchen wir ihren Freund. Groß, schlank und dunkelhaarig. Und sehr braun.« Sie lächelte ihn an, plötzlich verlegen. »Etwa so wie Sie.«
Er spürte ein Kribbeln auf der Kopfhaut. »Ich hätte nichts dagegen, ihr Freund zu sein, aber leider...« Er hob bedauernd die Hände. »Schade. Eure Freundin ist ein hübsches Mädchen.«
Jette wollte etwas sagen, doch Merle kam ihr zuvor, dankte ihm und zog Jette mit sich fort.
Genau im richtigen Augenblick. Ihm war schlecht von der Anstrengung, unbefangen zu wirken. Er wartete, bis die Mädchen die Disko verlassen hatten, dann ging er ebenfalls hinaus. Er saß schon fahrbereit in seinem Wagen, als er ihren Renault vom Parkplatz kommen sah.
Bert hatte heute früher Schluss gemacht. Er hatte mit den Kindern im Garten Fußball gespielt und danach mit ihnen zusammen gekocht. Sie hatten Pommes frites in den Backofen geschoben, Würstchen aufgesetzt und beides mit viel Ketchup und unter großem Gelächter verzehrt.
Margot hatte die Zeit für sich genutzt. Sie hatte gelesen und telefoniert und sich die Haare gefärbt. Sie entzog sich schon lange gemeinsamen Aktivitäten. Als wären die Stunden mit sich allein für sie das Schönste auf der Welt.
In gewisser Weise konnte Bert das verstehen. Der Alltag laugte einen aus. Da musste man sich Quellen suchen, um wieder aufzutanken. Aber die wichtigste dieser Quellen war früher ihre Zweisamkeit gewesen. Sie hatten alles in Kauf genommen, nur um zusammen sein zu können. Das hatte sich geändert.
Bert gewöhnte sich nicht daran. Es tat immer noch weh.
Er saß mit Margot auf der Terrasse. Beide hatten ein Glas Rotwein vor sich stehen. Irgendwo in der Nachbarschaft wurde gegrillt. Ein Geruch nach Holzkohle und angekokeltem Fleisch hing in der Luft. Die Nachbarn zur Rechten saßen ebenfalls im Garten und unterhielten sich leise. Aus der Terrassentür der Nachbarn zur Linken drangen Fernsehgeräusche. Sie guckten sich den Western im Zweiten an.
Bert dachte an das Grundstück der Thalheim. Wahrscheinlich konnte sie, wenn sie jetzt draußen saß, die Grillen zirpen hören. Er warf Margot einen schuldbewussten Blick zu.
Sie blätterte in einer Gartenzeitschrift. Um sich Ideen zu holen, wie sie sagte. Bei Imke Thalheim konnte Bert sich das nicht vorstellen. Er hatte keine
Ideen
gesehen, als er bei ihr draußen gewesen war. Alles hatte unberührt gewirkt.
»Wie geht es mit deiner Arbeit voran?«, fragte Margot in seine Gedanken hinein.
Konzentrier dich, dachte er. Und er dachte noch etwas: Dass die Heimlichtuerei lange vor einem Seitensprung begann. »Ich komme nicht weiter«, sagte er. »Wir treten auf der Stelle.«
Sie klappte die Zeitschrift zu, sah ihm in die Augen. Irgendwie geduldig, dachte er, nicht wirklich interessiert. Vielleicht hatte sie eine klare Vorstellung davon, wie die Frau eines Polizisten zu sein hatte. Und plötzlich hatte er keine Lust, über die Ermittlungen zu reden.
Er holte Caros Tagebuch aus seiner Tasche. Als er wieder auf die Terrasse kam, hatte Margot sich mit der Zeitschrift und ihrem Weinglas ins Haus zurückgezogen. Möglich, dass seine Schweigsamkeit sie beleidigt hatte.
Er blätterte in Caros Aufzeichnungen. Beinah kannte er sie auswendig, so oft hatte er sie schon gelesen. So oft die Gefühlsregungen eines Mädchens belauscht, die nicht für ihn bestimmt waren. Wie schmutzig er sich manchmal fühlte.
Caro war nicht geschwätzig gewesen, hatte nicht lauter beliebige Begebenheiten aneinander gereiht. Jede Eintragung stand für sich und hatte Gewicht. Ihre Worte waren knapp und überlegt, keines war zu viel.
Bert verbrachte etwa eine Stunde über dem Tagebuch. Danach nahm er sich die Liste des Erdbeerbauern noch einmal vor. Brütete über den Namen, die ihm nichts sagten. Er würde jemanden darauf ansetzen, jeden einzelnen dieser Arbeiter zu überprüfen. Warum waren sie vorzeitig abgereist? Wieso in dieser Eile?
Vielleicht
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