Der Erdbeerpfluecker
kleiner Fältchen. Ich hatte das Bedürfnis, sie zu berühren, ganz sanft. Natürlich tat ich es nicht. Stattdessen riss ich die Verpackung auf, in die der Keks eingeschlossen war, den man hier zum Kaffee servierte.
Er war etwa dreißig, viel zu alt für mich. Was war nur los mit mir? Saß mit ihm in einem Spießercaffee und himmelte seine Lachfältchen an. Fehlte nur noch, dass gleich eine Kapelle zum Tanztee aufspielte.
»Hatten Sie Erfolg mit Ihrer Suche?«, fragte er.
»Leider nicht«, sagte ich.
»Möchten Sie darüber reden?«
Ich schüttelte den Kopf. Nein, das wollte ich nicht. Ich wollte alles, was mit Caros Tod zu tun hatte, für eine Weile vergessen. An nichts Trauriges denken. Nur hier mit ihm am Tisch sitzen, ihn anschauen, ihm zuhören oder mit ihm schweigen, egal.
»Warum setzen wir uns nicht raus?«, fragte ich und sah auf die weißen Tische und die bunten Sonnenschirme draußen. Alles leuchtete wie von innen heraus.
»Ich war den ganzen Tag in der Sonne«, sagte er. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich lieber hier sitzen bleiben.«
Okay. Kein Problem. Vielleicht würde er mir erzählen, warum er den ganzen Tag in der Sonne gewesen war. Vielleicht auch nicht. Es war nicht wichtig. Nichts war wichtig. Nur der Augenblick.
Am liebsten hätte er sie immerzu nur angeschaut.
Eine neue Geschichte hatte begonnen.
Er hatte das nicht gewollt. Es war eben passiert.
Noch könnte er einfach aufstehen und gehen.
Er sah sie an. Und er wusste, diese Möglichkeit gab es nicht mehr für ihn.
Kapitel 17
Es war kurz nach neun, als Jette nach Hause kam. Merle machte den Fernseher aus. Vielleicht könnten sie noch etwas kochen. Sie merkte jetzt erst, wie hungrig sie war. Ihr Magen war leer wie ihr Kopf. Sie hätte sich diesen Serienmist nicht antun sollen.
Jette stand mit dem Rücken gegen die Wohnungstür gelehnt. »Hi«, sagte sie und lächelte wie nach drei Glas Wein. Na prächtig. Das war genau der richtige Zeitpunkt, um sich zu verlieben.
»Wer, wie, wann und warum.« Merle zog sie von der Tür weg und schob sie in die Küche. »Und lass nichts aus. Ich will alles wissen.«
»Du bist schon zu Hause?«
»Stress mit Claudio.«
Hoffentlich fragte Jette nicht weiter. Merle hatte den ganzen Abend lang mühsam Haltung bewahrt. Ein falsches Wort, und alle Anstrengung wäre zum Teufel.
»Ich hab Hunger«, sagte Jette. »Sollen wir uns was beim Chinesen bestellen?« Wie leicht sie den richtigen Ton traf.
»Wenn du bezahlst. Ich bin nämlich pleite. Und meinen Job los.«
»Kein Thema. Ich lade dich ein.«
Sie bestellten, und dann fing Jette an zu erzählen.
Imke erwachte mitten in der Nacht in vollkommener Dunkelheit und wusste im ersten Moment nicht, wo sie war. Mühsam kam sie hoch, reckte sich und schlüpfte in ihre Schuhe. Den ganzen Abend zu verschlafen!
Uralt fühlte sie sich, als sie die Treppe hinunterging, um sich nach etwas Essbarem umzusehen. Ihr Kopf tat weh. Sie hatte einen schlechten Geschmack im Mund. Ihr linkes Auge tränte.
Die Einsamkeit in der geräuschlosen Nacht war so unerträglich, dass sie sich mit einem Rest Geflügelsalat und einem Glas Milch vor den Fernseher setzte und sich dem Reigen von Sex, Gewalt und Werbung überließ, bis sie es nicht mehr aushielt. Ohne nachzudenken, nahm sie das Telefon. Eine verschlafene Stimme meldete sich.
»Tilo?«
Er antwortete mit einem Laut, der sich wie eine Mischung aus Knurren und Stöhnen anhörte.
»Willst du nicht bei mir weiterschlafen?«
Er gähnte herzerweichend. Sie machte sich schon auf eine verärgerte Antwort gefasst, doch da sagte er: »Okay. Bin in zwanzig Minuten bei dir.«
Sie holte eine Flasche Rotwein aus dem Keller und stellte Brot, Käse und Obst auf den Küchentisch. Inzwischen war sie hellwach. Sie brauchte Tilo zum Zuhören, zum Reden, zum Kuscheln und für die Liebe. Eins nach dem andern. Sie hatte immer schon gewusst, dass sie ein Glückskind war. Nur ein Glückskind konnte jemanden wie Tilo finden.
Schon über ihn zu sprechen, machte mich glücklich. Ich musste nicht mal die Augen schließen, um sein Gesicht vor mir zu sehen.
»Liebe Güte«, sagte Merle. »Dich hats ganz schön erwischt.«
»ßbrigens kennst du ihn«, sagte ich. »Von gestern.« Ich versuchte, ihn zu beschreiben, aber Merle erinnerte sich nicht deutlich an ihn.
Alles wollte sie wissen. Wie er hieß. Wie alt er war. Welchen Beruf er hatte. Wo er wohnte.
Ich zuckte mit den Schultern. Das alles
Weitere Kostenlose Bücher