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Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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Schatten, die Sterne am Fenster, der Duft von Rosen, das leise Treiben der Stadt, Tehanus ruhige, regelmäßige Atemzüge.
    Tenar setzte sich auf, um die Reste des Traumes abzuschütteln. Der Raum, von dem sie geträumt hatte, war der Bemalte Raum im Labyrinth der Gräber gewesen, wo sie Ged vor vierzig Jahren zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden hatte. In ihrem Traum waren die Gemälde an den Wänden zum Leben erwacht. Nur dass es kein Leben war. Es war das endlose, zeitlose Un-Leben derer, die ohne Wiedergeburt starben, derer, die von den Namenlosen verdammt wurden: Ungläubige, Westler, Zauberer.
    Wenn man starb, wurde man wiedergeboren. Das war die feste Gewissheit, in der sie erzogen worden war. Als sie als Kind zu den Gräbern gebracht worden war, auf dass sie zu Arha werde, der Verzehrten, hatten sie ihr gesagt, dass sie als Einzige von allen Menschen immer wieder als sie selbst wiedergeboren worden sei und werde, Leben um Leben. Manchmal hatte sie das geglaubt, aber nicht immer, sogar, als sie die Priesterin der Gräber gewesen war, und seitdem nie mehr. Aber sie wusste, was alle Menschen des Kargadreichs wussten: dass sie, wenn sie starben, in einem neuen Körper wiederkehren würden, dass die Lampe, die erlosch, im selben Moment irgendwo anders wieder aufflackern würde, im Schöße eines Weibes oder in dem winzigen Ei einer Elritze oder in einem vom Wind getragenen Grassamen, dass sie zurückkehrten, um erneut da zu sein, blind gegen das alte Leben, offen und frisch für das neue, Leben um Leben, bis in alle Ewigkeit.
    Nur die, die von der Erde selbst, von den Alten Mächten, ausgestoßen waren, die dunklen Hexer der hardischen Lande, wurden nicht wiedergeboren. Wenn sie starben - sagten die Kargs kehrten sie nicht in die Welt der Lebenden zurück, sondern fanden sich an einer öden Stätte des Halb-Seins wieder, mit Schwingen ausgestattet, aber des Fliegens nicht mächtig. Weder Vogel noch Mensch, mussten sie ohne Hoffnung ausharren. Wie die Priesterin Kossil es genossen hatte, ihr von dem schrecklichen Los jener prahlerischen Feinde des Gottkönigs zu berichten, deren Seelen dazu verdammt waren, für immer aus der Welt des Lichts verbannt zu sein!
    Aber das Nach-Leben, von dem Ged ihr erzählt hatte, zu dem seine Leute verdammt waren, jenes unveränderliche Land aus kaltem Staub und Schatten, war das auch nur einen Deut weniger trostlos, weniger furchtbar?
    Fragen, auf die es keine Antwort gab, lärmten in ihrem Kopf: weil sie keine Karg mehr war, weil sie die geweihte Stätte verraten hatte, war sie deshalb dazu verdammt, in jenes trockene Land zu gehen, wenn sie starb? Musste Ged dorthin? Würden sie dort achtlos aneinander Vorbeigehen? Das war nicht möglich. Aber was, wenn er dorthin musste und sie wiedergeboren wurde, sodass ihre Trennung eine ewige wäre?
    Sie wollte über all das nicht nachdenken. Es war klar genug, warum sie von dem Bemalten Raum geträumt hatte, nach so langen Jahren, nachdem sie das alles hinter sich gelassen hatte. Es hatte ganz klar damit zu tun, dass sie die Emissäre gesehen hatte, dass sie wieder Kargisch gesprochen hatte. Dennoch war sie aufgewühlt, erschüttert von dem Traum. Sie wollte nicht zurückkehren zu den Albträumen ihrer Jugend. Sie wollte zurück zu ihrem Haus in Oberfell, sie wollte neben Ged liegen und Tehanu atmen hören, während sie schlief. Wenn Ged schlief, lag er still da wie ein Stein; aber das Feuer hatte einigen Schaden in Tehanus Kehle hinterlassen, sodass ihr Atmen stets ein wenig rau klang, und Tenar hatte dem gelauscht, ja darauf gehorcht, Nacht für Nacht, Jahr um Jahr. Das war Leben, das war wiederkehrendes Leben, jenes vertraute, lieb gewonnene Geräusch, jenes leise, leicht raue Atmen.
    Ihm lauschend, schlief sie schließlich wieder ein. Und wenn sie träumte, dann nur von Luftströmen und den Farben des Morgens, die sich am Himmel bewegten.
     
    Erle wachte sehr früh auf. Sein kleiner Gefährte war die ganze Nacht über unruhig gewesen und hatte ihn mit seiner Unruhe angesteckt. Er war froh, aufzustehen und ans Fenster zu treten, sich schläfrig hinzusetzen und zu beobachten, wie das Licht in den Himmel über dem Hafen kam, wie die Fischerboote hinausfuhren und die Segel von Schiffen aus dem tief hängenden Dunst über der großen Bucht auftauchten, und dem Treiben und Getöse der Stadt zu lauschen, die sich für den Tag rüstete. Fast genau in dem Augenblick, da er sich fragte, ob er sich in das verwirrende

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