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Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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schlanken Füße auf dem weißen Holz des Decks. Er hob den Blick von ihnen und sah, dass die Prinzessin das tat, was sie schon beim letzten Mal getan hatte, als er ihr gegenübergestanden hatte: Sie teilte ihren Schleier so, dass er - und nur er - ihr Antlitz sehen konnte. Er war fast ein wenig erschüttert von der ernsten, beinahe tragischen Schönheit des Gesichts unter jenem roten Schleier.
    »Ist ... ist alles in Ordnung, Prinzessin?«, erkundigte er sich. Er stotterte, etwas, das ihm selten unterlief.
    Sie antwortete: »Meine Freundin Tenar sagte, atmet Wind.«
    »Ja«, meinte er, mehr auf gut Glück.
    »Glaubt Ihr, dass es irgendetwas gibt, das Eure Zauberer für sie tun könnten?«, fragte Irian, wobei sie ihre langen Beine, die übereinander geschlagen waren, entfaltete und ebenfalls aufstand. Sie und die Prinzessin waren beide große Frauen.
    Lebannen versuchte herauszufinden, welche Augenfarbe die Prinzessin hatte, denn in ihre Augen konnte er schauen. Sie waren blau, dachte er, aber wie blaue Opale enthielten sie auch noch andere Farben. Vielleicht war es aber auch das Sonnenlicht, das durch ihren roten Schleier fiel, das diesen Effekt erzeugte. »Für sie tun?«
    »Sie würde so gern nicht seekrank werden. Sie litt furchtbar darunter auf der Reise von den Kargadreichen.«
    »Ich nicht fürchten«, sagte die Prinzessin. Sie sah ihm direkt ins Gesicht, als wollte sie ihn herausfordern. Die Frage war nur: wozu?
    »Natürlich«, sagte er, »natürlich. Ich werde Onyx fragen. Ich bin sicher, dass er irgendetwas tun kann.« Er machte eine flüchtige Verbeugung vor beiden und ging hastig davon, den Zauberer zu suchen.
    Onyx und Seppel berieten sich und zogen schließlich Erle hinzu. Ein Bannspruch gegen Seekrankheit schlug mehr in das Fach von Schwarzkünstlern, Ganzmachern, Heilem als in das von gelehrten und machtvollen Zauberern. Erle selbst konnte im Augenblick natürlich nichts tun, aber vielleicht fiel ihm ja irgendeine Zauberformel ein ...? Was freilich nicht geschah, da er nie davon geträumt hatte, zur See zu fahren, bis seine Probleme begonnen hatten. Seppel gestand, dass er selbst auf kleinen Schiffen oder bei rauem Wetter stets seekrank wurde. Onyx begab sich schließlich in die Achterhütte und bat die Prinzessin um Verzeihung: er selbst habe nicht die Fachkenntnis, um ihr zu helfen, und könne ihr nichts anbieten außer einem Talisman, den einer der Matrosen, der von ihrer Not gehört habe -den Matrosen entginge nichts -, ihm aufgenötigt habe mit der Auflage, ihn ihr zu geben.
    Die langfingrige Hand der Prinzessin schob sich aus dem rotgoldenen Schleier. Der Zauberer legte einen sonderbaren, schwarzweißen Gegenstand hinein: getrockneter Seetang, der um das Brustbein eines Vogels gewunden war. »Eine Sturmschwalbe, weil sie auf dem Sturme reiten«, sagte Onyx mit schamgerötetem Gesicht.
    Die Prinzessin neigte ihren hinter dem Schleier verborgenen Kopf und murmelte ein Dankeschön auf Kargisch. Der Fetisch verschwand hinter ihrem Schleier. Sie zog sich in die Kajüte zurück. Onyx entschuldigte sich beim König, der ganz in der Nähe stand und wartete. Das Schiff stampfte und schlingerte jetzt heftig unter den harten, unberechenbaren Böen auf einer aufgewühlten See, und er schlug vor: »Ich könnte jetzt ein Wort an die Winde richten, Majestät...«
    Lebannen wusste sehr wohl, dass es zwei Denkschulen hinsichtlich der Wetterbannung gab: die alte, altmodische, deren Anhänger den Winden befahlen, ihren Schiffen zu dienen, so, wie Schäfer ihren Hunden befehlen, hierhin und dorthin zu rennen, und die neumodische - allenfalls seit ein paar Jahrhunderten existierende - Idee der Rok-Schule, dass der Magierwind entfacht werden sollte, wenn wirklich Not am Mann sei, es ansonsten aber das Beste wäre, die Winde der Welt blasen zu lassen. Er wusste, dass Onyx ein treuer Verfechter der Schule von Rok war. »Fällt Euer eigenes Urteil, Onyx«, riet er. »Wenn es so aussieht, dass wir eine richtig schlimme Nacht vor uns haben ... Aber wenn es nicht mehr als ein paar Böen sind ...«
    Onyx wandte den Blick hinauf zum Topp, wo bereits die eine oder andere Fahne fahlen Feuers in der wolkenverhangenen Abenddämmerung aufgeflackert war. Donner rollte wuchtig in der Schwärze vor ihnen und dehnte sich über den ganzen Süden aus. Hinter ihnen verblasste der letzte Schimmer Tageslicht. »Sehr wohl«, sagte er mit ziemlich düsterer Stimme und stieg hinunter in die drangvolle Enge der kleinen Kajüte.
    Lebannen

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