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Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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Schattens zu sagen, wenn ich den seinen nicht gebrauche. Ich dachte oft daran, daß Drachen weise sind, möglicherweise gerade in Dingen, über die sich Magier streiten.«
    »Weise, ja, aber auch herzlos. Aber von welchem Drachen redest du? Bisher hast du mir nicht erzählt, daß du dich, seit wir uns das letzte Mal sahen, mit Drachen unterhalten hast.«
    Sie blieben bis spät in die Nacht hinein sitzen und redeten miteinander, und obwohl sie immer wieder auf das Schwere zurückkamen, das vor Ged lag, so wog die Freude, endlich wieder beisammen zu sein, doch alles auf, denn ihre Freundschaft war tief und stark. Zeit und Umstände konnten ihr nichts anhaben.
    Ged erwachte im Haus seines Freundes, und während er noch schlaftrunken war, fühlte er in sich ein Wohlbehagen, als befände er sich an einem sicheren, geschützten Ort, dem sich nichts Böses oder Übles nähern konnte. Den ganzen Tag über blieb etwas von diesem Traumgefühl an ihm haften, und er betrachtete es nicht als gutes Omen, sondern als ein Geschenk. Sehr wahrscheinlich würde er beim Abschied von hier den letzten sicheren Hafen verlassen, und er wollte diesen Traum genießen, solange er anhielt.
    Vetsch mußte vor seiner Abreise noch einige Angelegenheiten in anderen Dörfern der Insel in Ordnung bringen. Er verließ Iffisch mit dem Jungen, der als Zauberlehrling bei ihm arbeitete. Ged blieb bei Jarro und ihrem Bruder Murre, der im Alter zwischen Vetsch und Jarro stand. Murre, der weder Gabe noch Geißel einer magischen Macht in sich spürte, führte ein sorgloses Leben. Er war noch nicht weit herumgekommen; außer Iffisch kannte er nur Tok und Holp. Ged beobachtete ihn mit Staunen und auch ein wenig Neid, und die gleichen Gefühle bewegten Murre, wenn er Ged betrachtete. Beiden kam es seltsam vor, daß sie so verschieden sein konnten, da sie doch beide gleich alt waren, nämlich neunzehn Jahre. Ged schien es unfaßbar, daß jemand, der neunzehn Jahre lang gelebt hatte, so sorglos sein konnte. Murres offenes, hübsches Gesicht gefiel ihm, und er selbst kam sich linkisch und ungehobelt vor. Er wußte nicht, daß ihn Murre um die Narben in seinem Gesicht beneidete. Murre glaubte, daß sie von Drachenklauen herrührten, und für ihn waren sie Rune und Siegel eines Helden.
    Die beiden jungen Männer waren aus diesem Grund etwas gehemmt im Umgang miteinander, doch Jarro verlor bald alle Scheu vor Ged. Hier war sie daheim und Herrin des Hauses. Ged war sehr freundlich zu ihr, und sie stellte viele Fragen, denn Vetsch, sagte sie, gebe ihr nie richtig Auskunft. Während der zwei Tage war sie sehr geschäftig. Sie buk Weizenfladen für die Reisenden und wickelte getrocknete Fische, Fleisch und allen möglichen Proviant ein, bis Ged ihr Einhalt gebot, denn er hatte nicht vor, ohne Unterbrechung bis nach Selidor zu segeln.
    »Wo liegt Selidor?« wollte sie wissen.
    »Ganz weit draußen im Westbereich, wo Drachen so zahlreich sind wie Mäuse.«
    »Dann bleibt besser hier im Osten. Unsere Drachen sind so klein wie Mäuse. Dies ist alles Fleisch, aber sind Sie sicher, daß es genug ist? Eines verstehe ich nicht. Sie und Vetsch, Sie sind beide mächtige Zauberer, Sie müssen nur die Hand bewegen, etwas murmeln, und schon ist es da. Warum werden Sie dann überhaupt hungrig? Wenn es Zeit zum Essen ist, warum sagen Sie denn nicht ganz einfach ›Fleischpastete‹, und dann kommt die Pastete, und Sie brauchen sie nur zu essen?«
    »Das könnten wir schon tun. Aber wer schluckt schon gern sein eigenes Gerede hinunter? Fleischpastete ist schließlich nur ein Wort … Wir könnten sie wohlriechend, gewürzt und sogar sättigend machen, aber deswegen bleibt es doch ein Wort. Es narrt den Magen und verleiht dem hungrigen Mann letztlich keine Kraft.«
    »Zauberer sind also keine Köche«, erklärte Murre, der an der anderen Seite des Herdes saß und an einem Stück weichem Holz herumschnitzte. Er hatte gelernt, Holz zu bearbeiten, aber er war kein allzu fleißiger Geselle.
    »Und Köche sind leider keine Zauberer«, sagte Jarro, die vor dem Ofen kniete und nachschaute, ob das letzte Blech voll Weizenkuchen durchgebacken war. »Aber es ist mir immer noch schleierhaft, Sperber. Ich habe beobachtet, wie mein Bruder und selbst sein Lehrling in einem dunklen Raum Licht gemacht haben. Ein Wort genügt, und ein Licht, kein Wort, ist erschienen, und es war so hell, daß man dabei wirklich sehen konnte.«
    »Ja«, sagte Ged, »Licht ist eine Macht. Licht gibt uns Leben, aber es

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