Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 1 - Der Magier der Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
Vom Netzwerk:
nicht überwältigen. Er floh, ich folgte. Und das kann wieder geschehen, und immer wieder. Ich habe keine Macht über das Wesen. Und vielleicht ist am Ende kein Tod, kein Sieg, vielleicht gibt es nichts zu besiegen, vielleicht gibt es kein Ende, vielleicht muß ich bis an mein Lebensende von Meer zu Meer, von Insel zu Insel eilen, auf einer ewigen nutzlosen Jagd, auf der Jagd nach einem Phantom.«
    »Wende!« sagte Vetsch, während seine linke Hand die Geste des Abwehrens durchführte. Trotz des Ernstes der Situation mußte Ged insgeheim lächeln. Unter Kindern war diese Geste beliebt, erwachsene Zauberer bedienten sich ihrer selten, aber Vetsch hatte schon immer etwas Einfaches, Kindliches an sich gehabt, und doch war er klug und gewitzt und traf immer den Nagel auf den Kopf. Jetzt sagte er: »Das ist ein schlimmer Gedanke und hoffentlich ein falscher. Ich glaube eher, daß ich auch das Ende dessen sehen werde, dessen Anfang ich sah. Irgendwie wirst du herausfinden, was es ist, sein Wesen, seine Art. Und dann kannst du es festhalten und überwinden. Doch es wird schwierig sein, herauszubekommen, was es ist … Aber etwas verstehe ich nicht, und es macht mir Sorgen. Es scheint, daß der Schatten jetzt in deiner Gestalt umhergeht oder zumindest in einer dir ähnlichen Gestalt. In Vemisch haben sie es gesehen, und ich habe es hier auf Iffisch ja selbst gesehen. Wie ist das möglich, und warum hat er das damals, als ihr noch im Inselreich wart, nicht getan?«
    »Wie man so sagt: In Außenbereichen gelten andere Gesetze.«
    »Das stimmt, daran ist viel Wahres, das kann ich dir bestätigen. Auf Rok habe ich manch gute Formel gelernt, die hier überhaupt nicht wirkt, und andere mißlingen, und dann gibt es hier wieder Formeln, von denen ich auf Rok nie etwas gehört habe. Jedes Land hat seine eigenen Mächte, und je weiter man sich von den Ländern des Innenmeeres entfernt, desto schwerer findet man heraus, welcher Macht sie entspringen. Doch das ist vermutlich nicht der einzige Anlaß, der diese Änderung des Schattens bewirkt.«
    »Ich glaube es auch nicht. Seit ich nicht mehr versuche, ihm zu entfliehen, und seit ich ihn verfolge und ihm meinen Willen aufzwinge, seitdem geht er in meiner Gestalt einher; gleichzeitig hindert ihn dies aber auch, mir meine Macht zu entwinden. Alles, was ich tue, findet sein Echo in ihm: Er ist mein Geschöpf.«
    »In Osskil hat er dich bei deinem Namen gerufen, und damit hat er dir jegliche Zauberkraft über ihn genommen. Warum hat er das denn nicht wieder getan, als ihr euch in den Händen begegnet seid?«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht kann er nur Kraft zum Reden schöpfen, wenn ich schwach bin. Er hat fast meine Stimme, meine Sprache, wenn er redet – aber woher weiß er meinen Namen? Ich habe mir das Gehirn zermartert, seit ich Gont verließ und über die Meere segelte, und die Antwort darauf weiß ich immer noch nicht. Vielleicht kann er in seiner eigenen Form oder Formlosigkeit gar nicht reden, sondern nur dann, wenn er ein Gebbeth ist. Ich weiß es nicht.«
    »Dann mußt du dich hüten, ihn wieder als Gebbeth zu treffen.«
    »Ich glaube«, sagte Ged und streckte die Hände gegen die glühenden Scheite, als fröre ihn von innen heraus, »die Gefahr besteht nicht mehr. Er ist jetzt an mich gebunden, genau wie ich an ihn gebunden bin. Jetzt kann er sich nicht mehr frei genug machen, um eines anderen Menschen Willen und Sinn zu entwenden, wie er es mit Skihor getan hat. Er kann aber von mir Besitz ergreifen, sobald ich schwach werde und versuche, ihm zu entfliehen und das Band zu zerreißen. Aber als ich versuchte, ihn mit meinen Händen zu halten, so fest ich konnte, verflüchtigte er sich wie Rauch und entfloh … Das kann sich wiederholen, und trotzdem kann er mir nicht wirklich entfliehen, denn ich werde ihn immer finden. Ich bin an das grausame Scheusal gebunden und werde es ewig bleiben, es sei denn, ich finde das Wort, das mich erlöst: seinen Namen.«
    Sein Freund saß ihm grübelnd gegenüber. »Gibt es überhaupt Namen in den dunklen Bereichen?«
    »Erzmagier Genscher sagte, es gebe keine Namen, mein Meister Ogion sagte, es gebe Namen.«
    »Immer wird es Meinungsverschiedenheiten zwischen Magiern geben«, zitierte Vetsch und lächelte resigniert.
    »Diejenige, die der Urmacht auf Osskil diente, schwor, daß mir der Stein den Namen des Schattens sagen könne, aber ihren Worten traue ich wenig. Aber um mich loszuwerden, hat mir der Drache angeboten, mir den Namen des

Weitere Kostenlose Bücher