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Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K LeGuin
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haben, nicht einmal, als sie von ihnen lernen wollte, denn sie fürchteten sich vor ihrem Vater, müsst Ihr wissen. Und dann kam schließlich ein reicher Mann und hielt um ihre Hand an, denn sie war, wie ich bereits sagte, schön, Herr. Schöner, als ich es mit Worten beschreiben könnte. Und ihr Vater sagte, sie solle ihn freien. Da lief sie davon, noch in derselben Nacht. Einige Jahre verbrachte sie so auf Wanderschaft. Hier und da wurde sie von einer Hexe aufgenommen, aber sie behauptete sich und ernährte sich mit ihrer Fertigkeit.«
    »Taon ist keine große Insel.«
    »Ihr Vater wollte nicht nach ihr suchen. Er sagte, eine Kesselflickerhexe sei nicht seine Tochter.«
    Wieder senkte Sperber den Kopf. »Sie hörte also von dir und kam zu dir.«
    »Aber sie brachte mir mehr bei, als ich ihr beibringen konnte«, sagte Erle ernst. »Es war eine große Gabe, die sie besaß.«
    »Das glaube ich.«
    Sie waren an einem kleinen Haus - oder einer großen Hütte - angelangt, das in einer Talmulde kauerte, dicht umwuchert von Haselnusssträuchem und Geißblatt. Auf dem Dach stand eine Ziege; eine Schar schwarzweiß melierter Hühner stob gackernd davon, als sie näher kamen, und eine träge herumliegende Schäferhündin stand auf, überlegte, ob sie bellen sollte, entschied sich dagegen und wedelte stattdessen mit dem Schwanz.
    Sperber ging zu der niedrigen Tür und bückte sich, um hineinzuschauen. »Da bist du ja, Tantchen!«, rief er. »Ich habe dir einen Besucher mitgebracht. Erle, ein Mann der Zauberkunst von der Insel Taon. Sein Fach ist das Ganzmachen, und er ist darin ein wahrer Meister, das kann ich dir sagen, habe ich ihm doch eben noch dabei zugeschaut, wie er Tenars grünen Krug wieder ganz gemacht hat, du weißt schon, den, den ich kürzlich wie ein tollpatschiger Dummkopf aus der Hand gleiten und in Scherben fallen ließ.«
    Er betrat die Hütte, und Erle folgte ihm. Eine alte Frau saß in einem gepolsterten Sessel nahe der Tür, wo sie ins Sonnenlicht hinausblicken konnte. Federn staken in ihrem strähnigen weißen Haar. Ein getüpfeltes Huhn ruhte auf ihrem Schoß. Sie lächelte Sperber mit betörender Liebenswürdigkeit an und nickte dem Besucher höflich zu. Das Huhn erwachte, gackerte und hüpfte davon.
    »Das ist Moos«, sagte Sperber, »eine Zauberin mit vielen Talenten, von denen das größte das der Freundlichkeit ist.«
    So, stellte sich Erle vor, könnte der Erzmagier von Rok einen großen Zauberer mit einer großen Dame bekannt gemacht haben. Er verneigte sich. Die alte Frau zog den Kopf ein und lachte ein wenig.
    Sie machte eine kreisförmige Bewegung mit der linken Hand und sah Sperber fragend an.
    »Tenar? Tenahu?«, fragte er nach. »Immer noch in Havnor beim König, soweit ich weiß. Sie werden sich dort wohl fühlen, mit all den Sehenswürdigkeiten, die die große Stadt zu bieten hat, und den feinen Palästen.«
    »Ich habe uns Kronen gemacht«, schrie Heide, die in diesem Augenblick aus dem duftenden, dunklen Dickicht hervor ins Innere des Hauses getollt kam. »Wie die von Königen und Königinnen. Schau nur!« Sie präsentierte stolz die Hühnerfedern, die in allen Richtungen aus ihrem dicken Haar ragten. Als Tantchen Moos ihren eigenen seltsamen Kopfputz gewahrte, schlug sie wirkungslos mit der linken Hand nach den Federn und schnitt eine Grimasse.
    »Kronen sind schwer«, sagte Sperber. Er zupfte sanft die Federn aus ihrem dünnen Haar.
    »Wer ist die Königin, Meistasperb?«, quietschte Heide. »Wer ist die Königin? Bannen ist der König; wer ist die Königin?«
    »König Lebannen hat keine Königin, Heide.«
    »Warum nicht? Er sollte eine haben! Warum hat er keine?«
    »Vielleicht ist er auf der Suche nach ihr.«
    »Er wird Tehanu freien!«, kreischte die Frau freudig. »Ganz bestimmt!«
    Erle sah, wie Sperbers Gesicht sich veränderte, wie es sich verschloss, zu Stein erstarrte.
    »Das bezweifle ich«, sagte er nur. Er hielt die Federn, die er Moos aus dem Haar gezogen hatte, in der Hand und strich sanft über sie. »Ich bin zu dir gekommen, um dich um einen Gefallen zu bitten, Tantchen Moos - wie immer«, sagte er.
    Sie streckte ihre gesunde Hand aus und ergriff die seine mit solcher Zärtlichkeit, dass Erle bis ins Herz gerührt war.
    »Ich möchte mir eines deiner Hündchen ausborgen.«
    Moos' Gesicht bekam einen traurigen Ausdruck. Heide, die töricht gaffend neben ihr stand, rätselte darüber nach und schrie dann: »Die Hündchen! Tantchen Moos, die Hündchen! Aber die sind doch

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