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Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsse Zyklus 05 - Rueckkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K LeGuin
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hatte sich zum Hohen König der vier kargischen Lande proklamiert. Sobald Lebannen davon erfahren hatte, hatte er Botschafter nach Awabath entsendet, seinen Bruderkönig zu grüßen und ihn der freundlichen Gesinnung des Archipels zu versichern.
    Dem waren fünf Jahre schwieriger und mühseliger Diplomatie gefolgt. Thol war ein gewalttätiger Mann auf einem gefährdeten Thron. In den Trümmern der Theokratie war jede Kontrolle, jede Herrschaft in seinem Reich unsicher und ungewiss, jede Autorität fragwürdig. Ständig meldeten geringere Könige ihre Ansprüche an und mussten zum Gehorsam gegenüber dem Hohen König gedungen oder geprügelt werden. Sektierer kamen aus Höhlen und Heiligengrabstätten hervorgekrochen, schrien »Wehe den Mächtigen!« und prophezeiten, dass Erdbeben, Sintfluten und Plagen die Gottesmörder vernichten und dahinraffen würden. Selbst ein aufgewühltes, geteiltes Reich regierend, konnte Thol kaum Vertrauen in die mächtigen und reichen Bewohner des Archipels setzen.
    Es bedeutete ihm nichts, dass ihr König von Frieden und Freundschaft redete und den Ring des Friedens schwenkte. Hatten nicht die Kargs Anspruch und Anrecht auf diesen Ring? Er war zwar in grauer Vorzeit im Westen gefertigt worden, aber vor langer Zeit hatte König Thoreg von Hupun ihn von dem Helden Erreth-Akbe zum Geschenk erhalten, als Zeichen der Freundschaft zwischen den kargischen und den hardischen Landen. Er war verschwunden, und es hatte Krieg geherrscht, keine Freundschaft. Aber dann hatte der Sperber-Magier den Ring gefunden, ihn zurückgestohlen und mit ihm die Priesterin der Gräber von Atuan, und beide, Ring und Priesterin, nach Havnor verschleppt. So viel zur Vertrauenswürdigkeit der Bewohner des Archipels.
    Durch seine Gesandten hatte Lebannen geduldig und höflich darauf hingewiesen, dass der Ring des Friedens ursprünglich Morreds Geschenk an Elfarran gewesen war, ein liebevoll gehegtes und geschätztes Andenken an das beliebteste Königspaar des Archipels. Und ein sehr heiliger Gegenstand dazu, denn auf ihm war die Binderune eingeritzt, eine machtvolle Segens-Zauberformel. Vor fast vier Jahrhunderten dann hatte Erreth-Akbe ihn zu den kargischen Landen gebracht, als ein Unterpfand für unverbrüchlichen Frieden. Aber die Priester von Awabath hatten das Friedensgelübde gebrochen - und den Ring zerbrochen. Vor ungefähr vierzig Jahren dann hatten Sperber von Rok und Tenar von Atuan den Ring zusammengefügt. Und wie stand es nun mit dem Frieden?
    Das war der Kern seiner Botschaften an König Thol gewesen.
    Und vor einem Mond nun, just nach dem Sommer-Langtanz, segelte eine Flotte die Passage von Felkweg herunter, passierte die Meerenge von Ebavnor und brauste zu den Pforten der Havnor-Bucht herein: lange rote Schiffe mit roten Segeln, beladen mit federgeschmückten Kriegern, prachtvoll gekleideten Emissären und ein paar verschleierten Frauen.
    »Möge die Tochter von Thol, dem Hohen König, der auf dem Throne Thoregs sitzt und dessen Urahn Wuluah war, den Ring des Friedens an ihrem Arme tragen, wie Königin Elfarran von Solea ihn einst trug, und möge dies das Zeichen ewigen Friedens zwischen den westlichen und den östlichen Inseln sein.«
    Das war der Wortlaut der Botschaft des Hohen Königs an Lebannen. Sie stand in großen hardischen Runen auf einer Schriftrolle geschrieben, doch bevor er sie König Lebannen überreichte, verlas Thols Botschafter sie laut in aller Öffentlichkeit, beim Empfang der Abgesandten am Hofe zu Havnor, vor dem gesamten Hofstaat, der sich zu Ehren der kargischen Emissäre versammelt hatte. Vielleicht lag es daran, dass der Botschafter die Worte eigentlich nicht ablas, sondern sie laut und langsam aus dem Gedächtnis zitierte, dass sie vom Ton her wie ein Ultimatum klangen.
    Die Prinzessin sagte nichts. Sie stand inmitten der zehn Dienerinnen oder Sklavinnen, die sie nach Havnor begleitet hatten, und der Schar von Hofdamen, die hastig dazu auserkoren worden waren, sich um sie zu kümmern und ihr die gebührende Ehre zu erweisen. Sie war verschleiert, zur Gänze verschleiert, wie es anscheinend Sitte bei hochwohlgeborenen Frauen in Hur-at-Hur war. Die Schleier, rot mit Streifen goldenen Stickwerks, fielen senkrecht von einem flachkrempigen Hut oder Kopfputz, sodass die Prinzessin wie eine rote Säule anmutete: zylindrisch, einförmig, regungslos, stumm.
    »Der Hohe König Thol erweist uns eine hohe Ehre«, sagte Lebannen mit seiner klaren, ruhigen Stimme. Und dann hielt er inne.

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