Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
Vom Netzwerk:
auf den Schnee. Unmittelbar vor dem Eingang des Containers waren weitere Pfotenabdrücke zu sehen. Merkwürdig, dass er die nicht gesehen hatte, als er vorhin zum Container gekommen war. Er lauschte seinem eigenen Atem, der in der eisernen Box widerhallte, als wäre er nicht allein hier drinnen. Sein Blick folgte den Spuren und er erstarrte. Seine eigenen Fußabdrücke führten über die Tierspur, doch mitten auf dem Abdruck seines Schuhs befand sich nun der Abdruck einer Pfote.
    Mit aller Kraft drückte er die Tür zu, und in dem dumpfen Dröhnenerloschen die Flammen. Nur die Ränder des Zeitungspapiers glommen noch im Stockfinsteren. Sein Atem keuchte jetzt. Es war jemand dort draußen, jemand, der ihn jagte, der ihn riechen konnte, der in der Lage war, ihn wiederzuerkennen. Er hielt den Atem an. Und in diesem Moment wurde ihm etwas bewusst: Dieses Etwas, das ihn suchte, war nicht draußen. Er hatte nicht das Echo seines eigenen Atems gehört. Es war hier drinnen. Als er verzweifelt in die Tasche griff, um die Pistole herauszuziehen, dachte er noch, wie merkwürdig es doch war, dass dieses Wesen nicht geknurrt oder irgendeinen Laut von sich gegeben hatte. Bis jetzt. Und auch in diesem Augenblick war nur das leise Kratzen der Krallen auf dem eisernen Boden zu hören, als es zum Sprung ansetzte. Er konnte noch den Arm heben, doch dann schlossen sich die Kiefer um seine Hand, und der Schmerz ließ seine Gedanken in einem Splitterregen explodieren.
     
    *
     
    Harry musterte das Bett und das, was darauflag. Er nahm an, dass es sich um Tore Bjørgen handelte.
    Halvorsen stellte sich neben ihn: »Mein Gott!«, flüsterte er. »Was ist denn hier passiert?«
    Ohne zu antworten, zog Harry den Reißverschluss der schwarzen Gesichtsmaske auf, die der Mann vor ihnen trug, und schlug sie zur Seite. Die rot bemalten Lippen und die geschminkten Augen ließen ihn an Robert Smith denken, den Sänger von The Cure.
    »Ist das der Kellner, mit dem du im Biscuit gesprochen hast?«, fragte Harry, während sein Blick suchend durch den Raum schweifte.
    »Ich glaube schon. Was um alles in der Welt hat der denn da an? «
    »Latex«, sagte Harry, strich mit den Fingerspitzen über ein paar Metallsplitter auf dem Laken, ehe er etwas aufhob, das neben einem zur Hälfte gefüllten Wasserglas auf dem Nachttischchen stand. Es war eine Tablette. Er sah sie sich genauer an.
    Halvorsen stöhnte. »Das sieht ja krank aus.«
    »Irgendeine Form von Fetischismus«, sagte Harry. »So gesehen auch nicht kränker, als wenn du auf Frauen mit Minirock stehst oder auf Strapse oder was auch immer dich anmacht.«
    »Uniformen«, sagte Halvorsen. »Egal was. Krankenschwestern, Politessen «
    »Danke, das genügt mir schon«, sagte Harry.
    »Was glaubst du?«, fragte Halvorsen. »Selbstmord mit Tabletten?«
    »Frag ihn doch selbst«, sagte Harry, nahm das Glas vom Nachttischchen und ließ die letzten Tropfen auf das Gesicht von Tore Bjørgen fallen. Halvorsen starrte seinen Hauptkommissar mit offenem Mund an.
    »Wenn du nicht so voreingenommen gewesen wärst, hättest du gehört, dass er atmet«, sagte Harry. »Das ist Stesolid. Auch nicht schlimmer als Valium.«
    Der Mann schnappte nach Luft. Dann zog sich sein Gesicht zusammen, gefolgt von einem Hustenanfall.
    Harry setzte sich auf die Bettkante und wartete darauf, dass es den zwei verängstigten, aber trotzdem winzigen Pupillen gelang, ihn zu fixieren.
    »Wir kommen von der Polizei, Bjørgen. Tut mir leid, dass wir so bei Ihnen reinplatzen, aber wenn wir Sie richtig verstanden haben, dann haben Sie etwas für uns – oder sollte ich sagen: hatten?«
    Die Augen blinzelten zweimal. »Wovon reden Sie?«, sagte eine belegte Stimme. »Wie sind Sie hier reingekommen?«
    »Durch die Tür«, antwortete Harry. »Sie hatten heute Abend schon Besuch?«
    Der Mann schüttelte den Kopf.
    »Das haben Sie der Polizei aber so gesagt«, entgegnete Harry.
    »Es war niemand hier. Und ich habe auch nicht bei der Polizei angerufen. Meine Nummer wird gar nicht angezeigt. Sie können das nicht hierher zurückverfolgt haben.«
    »Doch, das haben wir. Und ich habe eben nicht einmal erwähnt, dass Sie angerufen haben. Sie haben am Telefon gesagt, dass sie jemand ans Bett gekettet hätten, und ich sehe hier Splitter vom Gitter am Kopfende. Sieht auch so aus, als hätte ihr Spiegel da draußen im Flur etwas abbekommen. Ist er abgehauen, Bjørgen? «
    Der Mann blickte verwirrt von Harry zu Halvorsen und zurück.
    »Hat er Sie bedroht?«

Weitere Kostenlose Bücher