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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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rundes Stück Glas war in der Mitte herausgefallen, und wie aus einer schwarzen Sonne liefen dunkle Striche nach außen zu dem vergoldeten, verzierten Rahmen. Harry konzentrierte sich auf die Tür am Ende des Wohnzimmers. Sie war nur angelehnt.
    »Küche und Bad sind leer«, flüsterte Halvorsen hinter ihm.
    »Okay, halt dich bereit.«
    Harry schlich auf die Tür zu. Er spürte es. Wenn jemand hier war, würden sie ihn dort in diesem Zimmer finden. Draußen knallte ein defekter Auspuff. In der Ferne kreischten Straßenbahnbremsen. Harry bemerkte, dass er sich instinktiv geduckt hatte. Als wollte er sich selbst zu einer möglichst kleinen Zielscheibe machen.
    Er schob die Tür mit der Mündung seiner Maschinenpistole aufund huschte seitlich hinein, um einem eventuellen Angreifer keine Silhouette zu bieten. Den Finger am Abzug, drückte er sich an die Wand und wartete darauf, dass sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
    In dem Licht, das durch die Tür ins Zimmer fiel, sah er ein großes Bett mit Messinggitter. Ein paar nackte Beine ragten unter einer Decke hervor. Er trat vor, ergriff das Ende der Decke und zog sie weg.
    »Mein Gott!«, platzte Halvorsen heraus. Er stand in der Tür und ließ langsam die Hand mit dem Revolver sinken. Ungläubig starrte er auf das Bett.
     
    *
     
    Er schätzte den Abstand bis zum Stacheldraht oben auf dem Zaun. Dann nahm er Anlauf und sprang. Bewegte sich wie eine Raupe nach oben, wie Bobo es ihm gezeigt hatte. Die Pistole in seiner Tasche schlug ihm gegen den Bauch, als er sich oben über den Zaun schwang. Als er auf dem vereisten Asphalt auf der anderen Seite stand, entdeckte er im Licht der Scheinwerfer einen großen Riss in seiner blauen Jacke. Weißer Stoff quoll heraus.
    Als er einen Laut vernahm, trat er rasch aus dem Licht in den Schatten der Container, die auf dem großen Hafenareal in Reihen übereinandergestapelt waren. Er lauschte und sah sich um. Der Wind sang leise in den zerbrochenen Scheiben einer dunklen, verfallenen Holzbaracke.
    Er wusste nicht, warum, aber er hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Nein, nicht beobachtet, vielmehr entdeckt, entlarvt. Es war , als wüsste jemand, dass er hier war, ohne ihn wirklich gesehen zu haben. Sein Blick huschte auf der Suche nach möglichen Kameras oder Sensoren am Zaun entlang. Nichts.
    Er suchte zwei Containerreihen ab, bis er einen fand, der offen stand. Er trat in das undurchdringliche Dunkel und erkannte augenblicklich, dass er erfrieren würde, wenn er hier einschlief. Er konnte die Luftbewegung spüren, als er die Tür hinter sich zuzog, als stünde er in einer kompakten Masse, die jede Bewegung aufnahm.
    Es raschelte, als er seinen Fuß auf Zeitungspapier stellte. Er brauchte Wärme.
    Als er wieder vor den Container trat, hatte er erneut das Gefühl, beobachtet zu werden. Er ging zu der Holzbaracke hinüber, schob seine Finger unter eines der Bretter und zog. Es löste sich mit einem trockenen Knacken. Aus den Augenwinkeln glaubte er eine Bewegung zu sehen und wirbelte herum, doch da waren nur die blinkenden Lichter der verlockenden Hotels rund um den Bahnhof und das Dunkel hinter der Türöffnung seiner eigenen Zuflucht für die bevorstehende Nacht. Nachdem er zwei weitere Bretter gelöst hatte, ging er zurück zum Container. Dort, wo der Schnee zusammengeblasen worden war, fanden sich Spuren. Von Pfoten. Großen Pfoten. Ein Wachhund. Waren diese Spuren eben schon dort gewesen? Er brach längliche Späne von den Brettern ab und lehnte sie an die Stahlwand im Inneren des Containers. Die Tür ließ er einen Spalt offen, damit der Rauch wenigstens ein bisschen abziehen konnte. Die Streichholzschachtel aus dem Zimmer im Heim steckte in der gleichen Tasche wie die Pistole. Er zündete das Zeitungspapier an und schob es unter die Späne. Dann hielt er seine Hände über das Feuer. Kleine Flammen leckten an der rostroten Wand empor.
    Er dachte an die entgeisterten Augen des Kellners, der in die Mündung der Waffe gestarrt hatte, während er das Kleingeld aus seinen Taschen suchte und beteuerte, das sei alles, was er habe. Es hatte für einen Hamburger gereicht und für ein U-Bahn-Ticket. Es war zu wenig gewesen für einen Ort, an dem er sich hätte verstecken können, an dem er es warm hatte und schlafen durfte. Dann war der Kellner allerdings so dumm gewesen, ihm zu sagen, dass die Polizei informiert und bereits auf dem Weg sei. Und er hatte daraufhin getan, was er tun musste.
    Das Licht der Flammen fiel draußen

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