Der Erl�ser
Harry sprach mit leiser, monotoner Stimme. »Hat er gesagt, dass er zurückkommt, wenn Sie uns etwas erzählen? Ist es das? Haben Sie Angst?«
Der Mund des Mannes öffnete sich. Vielleicht war es die Ledermaske, die Harry an einen verirrten Piloten denken ließ. Robert Smith auf Abwegen.
»So was behaupten diese Typen fast immer«, sagte Harry. »Aber wissen Sie was? Wenn er gewollt hätte, wären Sie längst tot. «
Der Mann starrte Harry an.
»Bjørgen, wissen Sie, wohin er wollte? Hat er etwas mitgenommen? Geld? Kleider?«
Stille.
»Los, kommen Sie, es ist wichtig. Er ist hier in Oslo auf der Jagd nach jemand, den er umbringen will.«
»Ich hab keine Ahnung, wovon Sie reden«, flüsterte Tore Bjørgen, ohne den Blick von Harry zu nehmen. »Könnten Sie jetzt bitte gehen?«
»Natürlich. Aber ich sollte Sie noch darauf aufmerksam machen, dass man Sie anklagen könnte, einem Mörder zur Flucht verholfen zu haben. Was Ihnen vor Gericht im schlimmsten Fall als Beihilfe zum Mord ausgelegt werden könnte.«
»Mit welchen Beweisen denn? Okay, vielleicht hab ich angerufen. Aber ich hab bloß geblufft. Das war ein Spaß, Mann. Na und?«
Harry stand vom Bett auf. »Wie Sie wollen. Wir gehen jetzt. Packen Sie ein paar Sachen zusammen. Ich schicke dann zwei Beamte hoch, um Sie zu holen.«
»Holen?«
»Sie zu verhaften.« Harry gab Halvorsen ein Zeichen zum Aufbruch.
»Mich verhaften ?« Jetzt war Bjørgens Stimme nicht mehr belegt. »Sie können mir doch nicht das Geringste beweisen!«
Harry zeigte ihm, was er zwischen Daumen und Zeigefinger hatte.
»Bjørgen, Stesolid ist ein rezeptpflichtiges Betäubungsmittel wie Amphetamin und Kokain. Und wenn Sie nicht irgendein Rezept dafür aus dem Hut zaubern können, müssen wir Sie leider wegen Drogenbesitzes verhaften. Und der wird mit einer Haftstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet.«
»Sie machen Witze.« Bjørgen richtete sich im Bett auf und griff nach der auf dem Boden liegenden Decke. Erst jetzt schien er seine bizarre Aufmachung bemerkt zu haben.
Harry ging zur Tür. »Ich persönlich bin ja auch der Meinung, dass die norwegische Gesetzgebung viel zu hart ist, was weiche Drogen angeht. Weshalb ich unter anderen Umständen vielleicht ein Auge hätte zudrücken können. Einen schönen Abend noch.«
»Warten Sie!«
Harry blieb stehen. Und wartete.
»Seine B-b-brüder «, stammelte Bjørgen.
»Brüder?«
»Er hat gesagt, er würde mir seine Brüder auf den Hals hetzen, wenn ihm hier in Oslo etwas zustoßen sollte. Sollte er verhaftet oder getötet werden, würden sich seine Brüder um mich kümmern, egal, ob ich etwas damit zu tun habe oder nicht. Er hat gesagt, seine Brüder arbeiten mit Säure.«
»Er hat gar keine Brüder«, sagte Harry.
Tore Bjørgen hob den Kopf, sah zu dem hochgewachsenen Polizisten auf und fragte aufrichtig überrascht: »Nicht?«
Harry schüttelte langsam den Kopf.
Bjørgen knetete seine Hände. »Ich … ich habe diese Pillen da nur genommen, weil ich so aufgeregt war. Und dafür sind sie doch da, oder?«
»Wo ist er hingegangen?«
»Das hat er nicht gesagt.«
»Hat er Geld von Ihnen bekommen?«
»Nur das bisschen Kleingeld, das hier rumlag. Dann ist er abgehauen. Und ich … ich saß hier und war steif vor Angst « Ein plötzliches Schluchzen unterbrach seinen Redeschwall, und er kauerte sich unter der Decke zusammen: »Ich hab eine solche Angst.«
Harry blickte auf den weinenden Mann. »Wenn Sie wollen, können Sie heute Nacht unten im Präsidium übernachten.«
»Ich bleibe hier«, schniefte Bjørgen.
»Okay. Morgen früh wird jemand von uns kommen, um mit Ihnen zu reden.«
»Ja, gut. Warten Sie! Wenn Sie ihn festnehmen « »Ja? «
»Das mit der Belohnung gilt doch noch immer, oder?«
*
Er hatte das Feuer jetzt ordentlich angefacht. Die Flammen glitzerten auf einer dreieckigen Scherbe, die er aus dem kaputten Fenster der Baracke gebrochen hatte. Er war noch einmal Holz holen gegangen, und jetzt spürte er langsam, wie sein Körper auftaute. In der Nacht würde es schlimmer werden, aber er war immerhin noch am Leben. Seine blutenden Finger hatte er mit Stoffstreifen verbunden, die er mit der Scherbe von seinem Hemd abgetrennt hatte. Der Kiefer des Tieres hatte sich um die Hand geschlossen, in der er die Pistole gehalten hatte. Und um die Pistole.
An der Containerwand flackerten die Schatten über einen zwischen Decke und Boden schwebenden Schwarzen Metzner. Sein Maul stand offen, und der Körper war
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