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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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und suchte nach seinen Zigaretten.
    »Betreiben Sie idealistische Mordermittlungen, Hole?« »Sowohl als auch. Man muss ja leben.«
    Sie lächelte schnell. »Dann ist der Unterschied zwischen Ihnen und mir wohl doch nicht so groß, oder?«
    »Das bezweifle ich. «
    »Ach ja? Dann gehe ich nicht recht in der Annahme, dass Sie genau wie ich eigentlich nur die kriegen wollen, die es wirklich verdient haben?«
    »Das versteht sich von selbst.«
    »Das geht aber nicht immer so schön auf, oder? Seit Sie zur Polizei gegangen sind, um die Menschheit von dem Bösen zu erlösen, haben Sie doch sicher gelernt, dass Schuld die verschiedensten Nuancen haben kann. Dass es in der Regel nicht um die Bosheit der Menschen geht, sondern um ihre jämmerliche Schwäche. Viele traurige Geschichten, in denen man sich selbst wiedererkennt. Aber wie Sie schon sagten, man muss ja leben. Also fangen wir an, ein bisschen zu lügen. Für die Leute um uns herum und für uns selbst.«
    Harry fand sein Feuerzeug nicht. Wenn er diese Kippe nicht bald zum Brennen kriegte, würde er explodieren. Er wollte nicht an Birger Holmen denken. Nicht jetzt. Er spürte ein trockenes Knirschen, als er den Filter durchbiss: »Wie hat sich dieser Kurier denn genannt? «
    »Sie fragen so, als würden Sie seinen Namen kennen«, sagte sie.
    »Robert Karlsen«, sagte Harry und rieb sich kräftig mit beiden Handflächen übers Gesicht. »Und er hat Ihnen den Umschlag mit den konkreten Anweisungen am zwölften Oktober gegeben.«
    Sie zog eine ihrer wohlgeformten Augenbrauen hoch.
    »Wir haben sein Flugticket gefunden.« Harry fror. Der Wind fegte durch ihn hindurch, als wäre er nur noch ein Geist. »Und als er wieder zurückkam, nahm er, ohne es zu wissen, den Platz desjenigen ein, den er selbst mit zum Tode verurteilt hatte. Ist doch zum Totlachen, oder?«
    Sie antwortete nicht.
    »Ich verstehe allerdings immer noch nicht«, sagte Harry, »warum Ihr Sohn die Aktion nicht abbricht, wenn er doch in der Zeitung und im Fernsehen immer wieder gesagt bekommt, dass er denjenigen getötet hat, der ihn bezahlen sollte?«
    »Er erfährt nie, wer der Auftraggeber ist oder was das Opfer falsch gemacht hat«, sagte sie. »Das ist besser so. «
    »Damit er keinen verraten kann, wenn was schiefgeht? «
    »Damit er sich keine Gedanken machen muss. Damit er einfach seinen Job machen und darauf vertrauen kann, dass ich die Sache richtig eingeschätzt habe.«
    »Moralisch wie geschäftlich?«
    Sie zuckte mit den Schultern: »In diesem Fall wäre es natürlich von Vorteil gewesen, wenn er gewusst hätte, wer der Auftraggeber ist. Das Problem ist nur, dass er uns seit dem Mord nicht mehr kontaktiert hat. Ich weiß nicht, warum.«
    »Er traut sich nicht«, sagte Harry.
    Sie schloss die Augen, und Harry sah, wie sich die Muskeln in dem schmalen Frauengesicht bewegten.
    »Als meinen Teil des Abkommens fordern Sie von mir, meinen Handwerker zurückzurufen«, sagte sie. »Jetzt wissen Sie, dass das nicht möglich ist. Aber ich habe Ihnen den Namen desjenigen gegeben, der uns den Auftrag erteilt hat. Mehr kann ich nicht tun, bis er sich eventuell bei uns meldet. Werden Sie trotzdem Ihren Teil des Abkommens halten, Harry? Werden Sie meinen Jungen retten?«
    Harry antwortete nicht. Die Krähe flog plötzlich vom Baum auf, und vor ihnen ging ein Tropfenregen zu Boden.
    »Glauben Sie, dass Ihr Sohn aufgibt, wenn er sieht, wie schlecht seine Karten sind?«, fragte Harry.
    Sie lächelte schief und schüttelte dann traurig den Kopf. »Warum nicht?«
    »Weil er keine Angst hat und starrköpfig ist. Das hat er von seinem Vater.«
    Harry musterte die magere Frau mit dem gesenkten Kopf und dachte bei sich, dass er ihr den letzten Teil des Satzes nicht ganz ab nahm. »Grüßen Sie Fred. Ich nehme ein Taxi zum Flughafen.« Sie blickte auf ihre Hände. »Glauben Sie an Gott, Harry? « »Nein.«
    »Und trotzdem schwören Sie in Seiner Gegenwart, meinen Sohn retten zu wollen?«
    »Ja«, sagte Harry und erhob sich.
    Sie blieb sitzen und blickte zu ihm auf. »Sind Sie ein Mann, der hält, was er verspricht?«
    »Nicht immer.«
    »Sie glauben nicht an Gott«, sagte sie. »Und auch nicht an Ihr eigenes Wort. Was bleibt dann noch?«
    Er zog die Jacke enger um sich.
    »Sagen Sie mir, woran Sie glauben, Harry?«
    »Ich glaube an das nächste Versprechen«, sagte er, drehte sich um und sah blinzelnd zu der breiten Straße mit dem spärlichen Sonntagsverkehr hinüber. »Dass Menschen ein Versprechen halten können,

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