Der Erl�ser
geworden sind«, erwiderte Beate nüchtern.
»Es geht nicht um Freundschaft. Du willst wissen, ob sie vergewaltigt worden ist.«
»Vergewaltigt?«
»Eine Eingebung.«
Sie seufzte. »Okay, aber das eilt ja wohl nicht mehr so sehr.« »Wie meinst du das? «
»Nach allem, was heute Nacht geschehen ist. «
»Was ist heute Nacht geschehen?«
Beate starrte ihn an. »Das weißt du gar nicht?«
Harry schüttelte den Kopf.
»Ich hab dir mindestens vier Nachrichten hinterlassen.« »Ich hab gestern mein Handy verloren. Jetzt sag schon.« Er sah Beate schlucken.
»Oh Scheiße«, legte er los. »Sag, dass es nicht das ist, was ich glaube.«
»Sie haben Stankic heute Nacht erschossen. Er war auf der Stelle tot.«
Harry schloss die Augen und hörte Beates Stimme wie aus weiter Ferne: »Stankic hat nach etwas gegriffen, und laut Bericht hatte man ihm vorher eine Warnung zugerufen.«
Bericht, dachte Harry. Jetzt schon.
»Dummerweise war die einzige Waffe, die sie gefunden haben, eine Glasscherbe in seiner Jackentasche. Sie war blutverschmiert, und die Gerichtsmedizin hat versprochen, das bis morgen zu checken. Die Pistole hatte er vermutlich versteckt, bis er sie wieder brauchte, die könnte ja auch als Beweismittel gegen ihn verwendet werden. Er hatte keine Papiere bei sich.«
»Habt ihr noch etwas gefunden?« Harrys Frage kam automatisch, denn seine Gedanken befanden sich an einem ganz anderen Ort. Genauer gesagt in der Stephanskathedrale. »Ich schwöre beim Sohn.«
»In einer Ecke lag benutztes Drogenbesteck. Spritze, Löffel und so weiter. Interessanter ist aber, dass an der Decke ein toter Hund hing. Ein Schwarzer Metzner, das hat jedenfalls der Wachmann vom Hafen gesagt. Jemand hatte Fleisch aus dem Tier herausgeschnitten.«
»Freut mich zu hören«, murmelte Harry.
»Wie bitte?«
»Nichts.«
»Das erklärt, darauf hast du ja angespielt, die Fleischbrocken in dem Erbrochenen in der Gøteborggata. «
»Waren an der Aktion noch andere beteiligt als die Delta-Truppe?«
»Laut Bericht nicht.«
»Wer hat diesen Bericht eigentlich geschrieben?«
»Der Einsatzleiter natürlich. Sivert Falkeid. «
»Natürlich.«
»Jedenfalls ist es jetzt vorbei.«
»Nein!«
»Du brauchst nicht zu schreien, Harry. «
»Es ist nicht vorbei. Wo ein Prinz ist, ist auch ein König.«
»Was ist eigentlich mit dir los?« Beates Wangen wurden rot. »Ein Profikiller ist tot, und du hörst dich an, als wäre das … ein Freund gewesen.«
Halvorsen, dachte Harry. Sie hätte fast Halvorsen gesagt. Er schloss die Augen und sah das Licht rot hinter seinen Augenlidern flackern. Wie Kerzen, dachte er. Wie die Kerzen in einer Kirche. Er war noch ein Kind, als sie seine Mutter beerdigt hatten. In Åndalsnes, mit Blickauf die Berge, darum hatte sie auf dem Krankenbett gebeten. Und sie hatten dagestanden. Vater, Søs und er selbst, und hatten zugehört, wie der Pastor über einen Menschen redete, den er nie gekannt hatte. Weil Vater es nicht vermocht hatte, selber etwas zu sagen. Und vielleicht hatte Harry bereits in diesem Moment gewusst, dass es ohne sie auch keine Familie mehr gab. Und sein Großvater, von dem Harry die Körpergröße hatte, hatte sich zu ihm herabgebeugt, ihm seine frische Fahne ins Gesicht gehaucht und gesagt, so müsse es sein, die Eltern sollten vor ihren Kindern gehen. Harry schluckte.
»Ich habe Stankics Chefin gefunden«, sagte er. »Und sie hat gesagt, der Mord sei von Robert Karlsen in Auftrag gegeben worden.«
Beate sah ihn verblüfft an.
»Aber damit nicht genug«, sagte Harry. »Robert war nur ein Mittelsmann. Es gibt jemand, der sich hinter ihm versteckt.« »Wer? «
»Weiß nicht. Nur dass es jemand ist, der es sich leisten kann, zweihunderttausend für einen Mord hinzublättern.«
»Und das alles hat dir Stankics Chefin einfach so erzählt?« Harry schüttelte den Kopf. »Wir haben ein Abkommen getroffen.«
»Was für ein Abkommen?«
»Das willst du nicht wirklich wissen.«
Beate blinzelte rasch zweimal hintereinander. Dann nickte sie. Harry beobachtete eine alte Frau, die auf Krücken vorbeihinkte. Er fragte sich, ob Stankics Mutter und Fred norwegische Internetzeitungen lasen. Ob sie bereits wussten, dass Stankic tot war.
»Halvorsens Eltern sind in der Kantine und essen einen Happen. Ich geh runter zu ihnen. Kommst du mit? – Harry?«
»Was? Entschuldige. Ich hab schon im Flugzeug gegessen.«
»Sie würden sich sehr freuen. Sie sagen, er hätte so gut über dich geredet. Wie über einen
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