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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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ihn verstand. Harry krächzte etwas auf Englisch, das er kaum selbst kapierte.
    »Sorry, Sir« , antwortete der Portier. »The bar doesn’t open till three p. m. Do you want to check out now?«
    Harry nickte und suchte in der Jacke, die am Fußende des Bettes lag, nach dem Flugticket.
    »Sir?«
    » Yes« , sagte Harry und legte auf. Er lehnte sich auf dem Bett zurück, um in seinen Hosentaschen weiterzusuchen, fand aber nur eine norwegische Zwanzigkronenmünze. Und da erinnerte er sich plötzlich, wo seine Uhr geblieben war. Als er nach der letzten Bestellung die Rechnung zahlen sollte und ihm einige wenige Kunas fehlten, hatte er die Zwanzigkronenmünze oben auf die Scheine gelegt und war gegangen. Doch noch bevor er an der Tür war, hörte er einen wütenden Ausruf, spürte einen stechenden Schmerz am Hinterkopf und sah dann seine Zwanzigkronenmünze auf dem Boden kreiseln. Er ging also zurück zum Tresen, wo der Barkeeper grummelnd die Uhr als Bezahlung für den Rest akzeptiert hatte.
    Harry fiel ein, dass das Futter seiner Jackentaschen zerrissen war, er fuhr also mit der Hand hinein und fand das Flugticket im Futter unter der Innentasche. Er fischte es heraus und las die Abflugzeit. Im gleichen Moment klopfte es an der Tür. Erst ein Mal, dann noch einmal fester.
    Harry erinnerte sich nicht wirklich an das, was nach der Sperrstunde geschehen war, sollte das Klopfen also etwas damit zu tun haben, gab es kaum Grund, auf etwas Positives zu hoffen. Andererseits war es aber auch möglich, dass jemand sein Handy gefunden hatte. Er stolperte zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit.
    » Good morning« , sagte die Frau draußen. »Oder ist es kein guter Morgen?«
    Harry versuchte ein Lächeln und lehnte sich an den Türrahmen: »Was wollen Sie?«
    Sie hatte die Haare hochgesteckt und sah jetzt wirklich aus wie eine Englischlehrerin.
    »Ein Abkommen mit Ihnen treffen«, sagte sie.
    »Ach? Und warum jetzt und nicht gestern Abend?«
    »Weil ich erst wissen wollte, was Sie nach unserem Treffen tun. Zum Beispiel, ob Sie Kontakt mit der kroatischen Polizei aufnehmen. «
    »Und jetzt wissen Sie, dass ich das nicht getan habe?«
    »Sie haben in der Bar getrunken, bis sie zugemacht hat, und dann sind Sie in Ihr Zimmer getaumelt.«
    »Haben Sie auch Spione?«
    »Kommen Sie, Hole. Sie müssen ein Flugzeug erwischen.« Draußen wartete ein Auto auf sie. Hinter dem Steuer saß der Barkeeper mit den Gefängnistätowierungen.
    »Zur Stephanskathedrale, Fred«, sagte die Frau. »Schnell, sein Flieger geht in anderthalb Stunden.«
    »Sie wissen viel über mich«, sagte Harry. »Und ich weiß nichts über Sie. «
    »Sie können mich Maria nennen«, entgegnete sie.
    Der Turm der mächtigen Stephanskathedrale verschwand im Morgennebel, der über Zagreb lag.
    Maria führte Harry durch das große, fast menschenleere Hauptschiff. Sie gingen an den Beichtstühlen vorbei und an einer Reihe vonHeiligen, vor denen Gebetsbänke standen. Aus versteckten Lautsprechern strömte leiser mantraartiger Chorgesang, überlagert von einem Hall, der einen vermutlich andächtig stimmen sollte, Harry aber eher an die Kaufhausmusik eines katholischen Supermarktes denken ließ. Sie kamen in ein Seitenschiff und traten dort durch eine Tür in einen kleinen Raum mit zwei Reihen niedriger Bänke. Das Morgenlicht fiel rot und blau durch die farbigen Fenster. Zwei Kerzen brannten rechts und links von einem Kruzifix, vor dem eine Wachsfigur kniete. Sie hatte das Gesicht zum Himmel gewandt und die Arme in einem verzweifelten Gebet emporgestreckt.
    »Der Apostel Thomas, der Schutzheilige der Bauarbeiter«, erklärte sie, senkte den Kopf und bekreuzigte sich. »Er wollte gemeinsam mit Jesus in den Tod gehen.«
    Der ungläubige Thomas, dachte Harry, als sie sich über ihre Tasche beugte, eine kleine Kerze mit dem Bildnis eines Heiligen herausholte, sie anzündete und vor dem Apostel aufstellte.
    »Knien Sie nieder«, sagte sie.
    »Warum?«
    »Tun Sie einfach, was ich sage.«
    Widerstrebend drückte Harry seine Knie auf den abgenutzten roten Samt der Bank und stemmte die Ellenbogen auf die schrägen hölzernen Armpulte, die von Schweiß, Fett und Tränen schwarz verfärbt waren. Es war eine seltsam bequeme Haltung.
    »Schwören Sie beim Namen des Sohnes, dass Sie sich an Ihren Teil der Abmachung halten werden.«
    Harry zögerte. Dann senkte er den Kopf.
    »Ich schwöre «, begann sie.
    »Ich schwöre «
    »Im Namen des Sohnes, meines Erlösers.«
    »Im Namen des Sohnes,

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