Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
Vom Netzwerk:
«
    Harry blickte auf sein Notizbuch. Die Seite war leer.
    »Danke«, sagte er.
     
    *
     
    »One night, is that correct, Sir?«
    Die Empfangsdame im Scandia Hotel am Osloer Bahnhof fragte, ohne ihren Blick vom Bildschirm zu nehmen.
    »Yes« , antwortete der Mann vor ihr.
    Ihr war aufgefallen, dass er einen hellbraunen Mantel trug. Kamelhaar. Oder irgendein Imitat.
    Ihre langen, rot lackierten Nägel huschten wie verängstigte Kakerlaken über die Tastatur. Imitierte Kamele im nordischen Winter. Warum nicht? Sie hatte Bilder von den Kamelen in Afghanistan gesehen, und ihr Freund hatte ihr geschrieben, dass es dort genauso kalt werden könne wie in Norwegen.
    »Will you pay by Visa or cash, Sir?«
    »Cash.«
    Sie schob ihm das Anmeldeformular und einen Stift über den Tresen und fragte, ob sie seinen Pass sehen dürfte.
    »No need« , antwortete der Mann. »I will pay now.«
    Sein Englisch klang fast britisch, doch die Art, wie er die Konsonanten aussprach, ließ sie an Osteuropa denken.
    »Ich muss trotzdem Ihren Pass sehen, Sir . Internationale Vereinbarung. «
    Er nickte, reichte ihr einen nagelneuen Tausender und seinen Pass. Republika Hrvatska? Sicher eines dieser neuen Länder da im Osten. Sie gab ihm das Wechselgeld, legte den Tausender in die Kasse und nahm sich vor, ihn zu überprüfen, sobald der Hotelgast gegangen war. Sie war bestrebt, einen gewissen Stil zu wahren, obwohl sie sich eingestehen musste, dass sie vorläufig noch in einem der einfacheren Hotels der Stadt arbeitete. Und dieser Gast sah nicht aus wie ein Zechpreller, eher wie ein … tja, wie sah er eigentlich aus? Sie reichte ihm die Magnetkarte und klärte ihn über Stockwerk, Fahrstuhl, Frühstücks- und Auscheckzeiten auf.
    »Will there be anything else, Sir?« , zwitscherte sie, wohl wissend, dass ihr Englisch und ihre Servicebereitschaft zu gut für dieses Hotel waren.
    Doch bald würde sie einen besseren Arbeitsplatz finden. Oder – wenn es nicht anders ging – ihre Serviceeinstellung ändern.
    Er räusperte sich und erkundigte sich nach dem nächsten »phone booth« . Sie erklärte ihm, dass er vom Zimmer aus telefonieren konnte, doch er schüttelte bloß den Kopf.
    Sie musste nachdenken. Da mittlerweile fast jeder ein Handy hatte, waren die meisten Telefonzellen in Oslo abgebaut worden, aber sie war sich ziemlich sicher, dass es noch eine ganz in der Nähe gab, am Bahnhof. Obwohl es nur hundert Meter bis dorthin waren, nahm sie eine kleine Karte und zeichnete ihm den Weg ein. Somachten sie das auch im Radisson und in den Choice-Hotels. Als sie aufblickte, um zu überprüfen, ob er alles verstanden hatte, war sie einen Moment lang verwirrt, ohne zu wissen, warum.
     
    *
     
    »Dann heißt es also wieder: Wir zwei gegen den Rest der Welt, Halvorsen! «
    Harry rief seinen üblichen Morgengruß, als er in ihr gemeinsames Büro rauschte.
    »Zwei Nachrichten«, sagte Halvorsen. »Du sollst dich im Büro unseres neuen Chefs melden. Und dann hat noch eine Frau angerufen, die dich sprechen wollte. Verdammt nette Stimme.«
    »Ach ja?« Harry warf seinen Mantel in Richtung Garderobenständer. Er flog zu Boden.
    »Ui!«, platzte Halvorsen spontan hervor. »Bist du endlich drüber weg?«
    »Was?«
    »Du wirfst deinen Mantel wieder an die Garderobe. Und kommst mit dem alten Schlachtruf. Das hast du nicht mehr gemacht, seit Rakel dich «
    Halvorsen verstummte, als er den warnenden Gesichtsausdruck seines Kollegen sah.
    »Was wollte die Frau?«
    »Dir etwas sagen. Sie hieß « Halvorsen ließ seinen Blick suchend über ein paar kleine Post-its schweifen. »... Martine Eckhoff.«
    »Kenn ich nicht.«
    »Die gehört zum Personal des Fyrlyset. «
    »Ach so.«
    »Sie sagte, sie hätte sich ein bisschen umgehört. Niemand weiß etwas darüber, dass Per Holmen jemand Geld geschuldet hätte.« »Hat sie das? Hm. Vielleicht sollte ich noch einmal anrufen, um sicher zu sein, dass sie mir nicht noch mehr mitzuteilen hat.« »Auf den Gedanken bin ich auch schon gekommen, aber als ich sie nach ihrer Nummer gefragt habe, meinte sie bloß, das sei alles.« »Ja? Na, okay. Gut. «
    »Wirklich okay? Warum ziehst du denn dann so ein Gesicht?«
    Harry bückte sich nach seinem Mantel, doch statt ihn aufzuhängen, zog er ihn wieder an. »Weißt du was, Junior? Ich muss gleich wieder weg.«
    »Aber der Chef …«
    »... muss warten.«
    Das Tor des Containerhafens stand offen, aber am Zaun hing ein Schild, das deutlich verkündete, dass die Einfahrt verboten war und man

Weitere Kostenlose Bücher