Der erpresste Erpresser
sahen satt und
zufrieden aus.
Mehrere Räume. Wohin?
Ein Gast, der weder satt noch zufrieden
aussah, kam Tim entgegen. Ein Todkranker? Ihn sehen und Mitleid empfinden, war
eins.
Dann trat Tim rasch durch die erste Tür
links und konnte sich gerade noch bremsen. Sonst hätte er ein Regal mit
Chianti-Flaschen, sehr edlen, gerammt und sicherlich umgestoßen.
Dieses rasche Ausweichmanöver in einen
Nebenraum war erforderlich, denn hinter dem ,Todkranken’ kam — mit etwas
Abstand — der Taxifahrer Sigi.
Tim versteckte sich hinter dem Regal
und linste über die Flaschen.
Der abgewrackte Typ ging vorbei und
hinaus.
Sigi folgte ihm, zögerte jetzt, äugte
voraus, ging weiter.
Hoppla! dachte Tim. Sieht ja aus, als
schleicht er dem nach.
Draußen breitete ein milder Abend seine
Schatten aus. Der Asphalt war noch feucht vom Gewitter, aber der Himmel wieder
blau. Laue Luft.
Der Abgewrackte — er hatte ein gelbes
Knochengesicht und tiefliegende Augen — wandte sich nach rechts, wo keine Autos
standen, und schlurfte los.
Sigi stand vor dem Schaufenster eines
Damenfrisörs und informierte sich anscheinend über Haarpflege und Dauerwelle.
Über die Schulter aber spechtete er dem
Abgewrackten nach. Kein Zweifel! Da war eine Verfolgung im Gang; und Tim
verfolgte den Verfolger.
So ging’s zu dritt die
Faulfeller-Straße runter, die Tichtelkämmer Gasse und über den Glorien-Platz.
Keiner merkte was: Jedenfalls blieb
Sigi ahnungslos, und der Abgewrackte — für den Tim Namen erfand wie Skelett,
Zombie, Kinderschreck, Grufti — sowieso.
Er hatte es nicht weit.
In der Speibach-Gasse, die sich düster
zwischen alten, hohen Häusern windet, stoppte der abgewrackte Zombie vor einem
schimmligen Haus.
Ein alter Mann mit steifem Bein fegte
die beiden Stufen der Eingangstür.
Zombie und Stufenfeger wechselten
einige Worte, dann trat der eine ins Haus, der andere fegte weiter — und
fluchte sogleich, weil er mit seinem Reiserbesen in einen frischen Hundehaufen
geraten war.
Sigi dümpelte vorbei, als wäre er
Flaneur ( Spaziergänger ) von Beruf, und verschwand um die Ecke.
Tim überlegte. Dem Fahrer folgen? Oder
Infos einziehen über den skeletthaften Grufti?
Sigi, dachte der TKKG-Häuptling,
entging uns nicht. Mit der neuen, sicherlich echten Kfz-Nummer kommen wir jederzeit
an ihn ran. Fragen wir mal nach dem Zombie.
Der Alte mit dem steifen Bein zerkaute
Flüche zwischen den Zähnen und wußte nicht, wie und wo er seinen kackigen Besen
abwischen sollte.
„Schweinerei?“ Tim blieb stehen. „Ich
liebe Hunde ja, und jeder muß müssen. Aber es ist verdammt nochmal eine
Sauerei, daß die Hundehalter die Haufen liegenlassen.“
Der Alte drückte seine dritten Zähne
gegen den Kiefer. „Ich weiß, wer’s war. Struppi! Immer Struppi. Und immer vor
meiner Tür! So ein kleines Vieh“, er spreizte Daumen und Zeigefinger auf die
Länge einer Maus, „aber solche Haufen.“ Der Alte hielt den Besen und seine
freie Hand weit auseinander.
„Ist das der Hund von Herrn Biermoser?“
fragte Tim.
„Von wem?“
Der Alte fegte weiter mit dem
schmutzigen Besen.
„Na, von dem Herrn Biermoser. Ich sah
doch eben, wie er hier reinging. Und mit Ihnen sprach. Der Herr mit dem
kränklichen Aussehen.“
„Das war Herr Tückl. Einen Biermoser
haben wir hier nicht. Baldur Tückl hat keinen Hund. Gott sei Dank! Mir reicht
Struppi, dieser Sargnagel.“
„Struppi ist okay“, sagte Tim grinsend,
„an Herrchen oder Frauchen liegt’s. Schönen Abend noch.“
„Dort vorn macht er auch immer hin“,
sagte der Alte. „Dort in dem Schatten vor der Ecke. Tritt nicht rein.“
Tim sah sich vor; im übrigen wäre das
kein Unglück gewesen.
Als er um die Ecke kam, war von Sigi
nichts mehr zu sehen.
Also zurück zum Chianti-Haus!
Dort, wo das Taxi geparkt hatte, stand
jetzt ein anderer Wagen.
Tim befreite die Straßenlaterne von
seinem Rennrad und fuhr zum Grand-Hotel zurück, wo Klößchen und Karl inzwischen
ein Dutzend Schaufenster besichtigt hatten.
„Um diesen Tückl“, sagte Tim, nachdem
er berichtet hatte, „kümmern wir uns. Den Alten mit dem Besen konnte ich nicht
ausquetschen. Das wäre aufgefallen. Ganz bestimmt ist Tückl ein linker Typ. Der
riecht förmlich nach Unterwelt. Wahrscheinlich ein Geldfälscher. Oder Verteiler
für eine andere Bande. Jedenfalls hochgradig verdächtig, sonst hätte Sigi ihn
nicht verfolgt.“
Karl lehnte sich schlaff auf sein Rad.
„Machen wir noch weiter? Ich bin“, er gähnte,
Weitere Kostenlose Bücher