Der erpresste Erpresser
Portemonnaie — kannte Sigi bereits. Der andere war dünn wie ein
Windhund, hatte ein schlaues Gesicht und trug eine Nickelbrille mir runden
Gläsern.
Sigi sah sie nicht mehr.
Daß sich die drei in die
Goldschmiede-Gasse neben dem Geschäft des Juweliers Reitrac verkrümelt hatten
und total auf Posten waren, nämlich beobachteten — das bemerkte er nicht.
Statt dessen sockte er eiligst zur
nächsten Telefonzelle, die vor dem Opernhaus stand.
Sigi Huber rief im Chianti-Haus an,
erwischte den Kellner Guiseppe und fragte, ob Behnke noch dort sei.
„Si, Signore. Ist noch anwesend.“
„Bitte, holen Sie ihn an den Apparat!“
„Sich gedulden bitte Moment, Signore!“
Es dauerte nicht lange. Behnke meldete
sich.
„Ich bin’s“, sagte Sigi. „Du, dieser
Bengel von heute mittag schnüffelt hinter dir her. Ja, der große Lockenkopf.
Hat mich eben ausgequetscht. Der weiß sogar von dem Reinfall in der
Veilchentreu-Straße. Die Sache mit dem Alten. Das ist nämlich sein Großvater.
Ich habe...“
Sigi berichtete Einzelheiten. Und
schloß damit: „Mir wird das jetzt zu heiß, Paul. Für ein paar Tage setze ich
aus. Keine Geldwechsel-Fahrten mehr.“
Behnke grunzte, knirschte mit den
Zähnen, schien zu überlegen.
„Geht in Ordnung, Sigi“, meinte er
dann. „Legen wir die Blüten auf Eis. Ich richte alle fünf Sinne ohnehin auf was
anderes. Am besten, du kommst sofort her.“
„Zum Chianti-Haus?“
„Ja. Aber du wirst mich nicht
antreffen. Damit wir nicht auffallen, verdrücke ich mich.“
„Ich verstehe nicht. Was soll ich da?“
„Dich kennen sie nicht. Ich meine,
Glanzauge Pestili und Skorpion-Töter Melfioso. Ja, die! Sie sitzen im
Hinterzimmer mit einem Zombie zusammen. Du weißt sofort, wen ich meine. Der
Mann sieht tatsächlich aus, als käme er geradewegs aus seinem Sarg. Jedenfalls
— die drei stecken die Köpfe zusammen. Da läuft was Großes an. Kellner Carlo,
den ich immer gut schmiere, hat ein paar Brocken vom Gespräch aufgeschnappt.
Pestili und Melfioso sollen dem Zombie 50 000 DM zahlen. Für irgendwas! Ich
will’s wissen. Hab’ so einen Riecher, daß da auch für uns was abfällt.“
„Ja und? Was soll ich tun?“
„Du beschattest den Zombie. Wir müssen rauskriegen,
wo er haust. Wer er ist.“
Sigi zögerte. Dann gab er sich einen
Ruck. „Also meinetwegen. Aber das ist vorläufig das letzte Mal, Paul. Bis auf
weiteres halte ich mich raus aus allem.“
13. Verfolgter Verfolger
Tim, auf sein Rennrad gestützt, luchste
um die Ecke.
Er befand sich so dicht am vorgebauten
Schaukasten des Reitrac-Geschäfts, daß der Blick gestört wurde: vom Gefunkel
des Geschmeides. Die Beleuchtung war schon eingeschaltet. Brillanten blitzten,
Smaragde, Saphire, Opale, Mondstein und Tigeraugen.
Aber Tim ließ sich nicht ablenken,
sondern achtete ausschließlich auf ,Sigi’, von dem sie immerhin schon den
Vornamen wußten.
„Er hat telefoniert“, sagte Tim, „kommt
zurück, steigt in seinen Wagen. Am besten, ihr wartet hier. Ich versuche, ob ich
ihm folgen kann.“ .
„Er darf 50 fahren“, sagte Karl. „Aber
alle 200 Meter ist hier ‘ne Ampel. Wenn er nicht gerade eine Grünwelle
erwischt, hast du eine Chance.“
Grüne Welle — das wäre ein Zufall
gewesen, denn im Straßengewirr der Innenstadt ist die Verampelung kompliziert
und erfordert immer nur eins: Geduld, Geduld! Und zwar von allen
Verkehrsteilnehmern, einschließlich der Fußgänger. Sie stehen vor Rot und
warten auf Grün, warten, warten, warten.
Tim hatte Glück.
Sigis Taxi rollte von einer Rot-Ampel
zur nächsten.
Tim blieb auf Abstand und oft versteckt
hinter Autos.
Keine zehn Minuten — dann war Sigi am
Chianti-Haus. Er stellte seinen Wagen auf den für Gäste reservierten Platz und
ging hinein.
Hm! Tim überlegte. Will der Typ
mampfen? Oder trifft er den Geier? Muß man telefonisch vorbestellen im
Chianti-Haus? Nee! So vornehm und gefragt ist dieser ,Italiener’ nicht. Gute
Küche, sicherlich! Aber bei dem gewaltigen Platzangebot muß man nicht vorher
anfragen.
Tim stellte sein Rennrad an eine
Lichtpeitsche und sicherte mit dem Kabelschloß.
Einen Blick ins Portemonnaie! Für einen
Teller Spaghetti reichte die Barschaft — und für einen Fruchtsaft.
Tim betrat das weitläufige Ristorante,
wo hinterm Eingang zwar ein Kellner postiert war, aber nicht auf ihn achtete.
Vielmehr gestikulierte der Servierkünstler, von Worten untermalt, auf eine
Ehepaar ein, das sich gerade verabschieden wollte. Beide
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