Der erpresste Erpresser
„todmüde. Morgen wäre mir
lieber.“
„Ja“, sagte Klößchen, „morgen! Nach einem
guten Frühstück geht alles viel besser — nach einem guten zweiten Frühstück und
einer reichlichen Mittagsmahlzeit.“
„Also gut“, nickte Tim, „vertagen wir
uns auf morgen.“
*
Der Freitag gab an, als wäre schon
Hochsommer, ließ die Quecksilbersäule der Thermometer steigen und pustete das
letzte sahneweiße Wölkchen vom Himmel.
Die Jungs verzichteten auf
Sweat-Shirts, Klößchen schwitzte, Gaby trug ein leichtes Jeans-Kleid und hatte
den Pony gekürzt.
Der Unterricht langweilte. Die meisten
Schüler schliefen mit offenen, scheinbar interessierten Augen.
Tim blieb seinem Grundsatz treu und
paßte auf wie ein Luchs. Weil er die Erfahrung gemacht hatte: Was er sich
bereits im Unterricht merkte, brauchte er nachmittags nicht einzupauken. Es war
also zeitsparender, dem Gesülze der Lehrer mit wacher Aufmerksamkeit zu folgen.
Absitzen mußte man die Stunden ja ohnehin, also lieber gleich das Beste daraus
machen. Im übrigen — das meiste aus Bio, Geschichte, Physik, Mathe, Grammatik
und Fremdsprachen war nützlich fürs Leben und gut fürs Gehirn.
Nach dem Mittagessen traf sich die
TKKG-Bande bei Gaby. Oskar sprang von einem zum andern und brachte dann gleich
seine Leine im Maul an. Ihm war klar: Der verschworene Vierer-Club würde den
Nachmittag nicht in Gabys Zimmer verbringen. Und nach draußen wollte er, Oskar,
unbedingt mit.
„Wir müssen zweigleisig fahren“, sagte
Tim. „Erstens die Suche nach Markus. Das bedeutet: Abäugen der Penner-Szene.
Zweitens die Geldfälscher-Spur: Sigi, der uns hoffentlich zu dem Geier führt;
und Baldur Tückl, hinter dem noch ein Fragezeichen steht. Ein Glück, daß wir zu
viert sind.“
„Zu fünft“, sagte Gaby, „meinen Hund
nehme ich mit.“
„Logo! Aber laß ihn vorher nochmal
saufen. Draußen ist es heiß. Am besten, wir teilen uns auf: wir beide mit
Oskar, Gaby, übernehmen den gefährlichen Teil: die Blüten-Verteiler. Karl und
Willi suchen nach Markus. Einverstanden?“
Klößchen nickte. „Ohne dich im Nacken“,
er meinte Tim, „kann ich mir wenigstens hin und wieder ein Eis reinziehen. Oder
andere hitze-abweisende Stärkung.“
Zu Karl sagte Tim: „Er hat hin und
wieder gesagt. Wahrscheinlich meint er: alle 300 Meter. Sieh zu, daß ihr nicht
nur in den Eiscafes rumhockt, sondern auch ein paar Penner-Treffs abhaken
könnt.“
„Ph!“ machte Klößchen. „Wirst schon
staunen, wenn ich Markus entdecke.“
14. Niederschlag mit Strümpfen
Oskar lief neben Gabys Klapprad, die
Schlappohren wehten. Tim schirmte seine Freundin zur gefährlichen Fahrbahn hin
ab.
Irrer Verkehr in der Innenstadt. Viele
Firmen und Büros läuteten schon das Wochenende ein, verdankten das der immer
kürzeren Wochenarbeitszeit und klappten jetzt die Schreibtische hoch.
Verkehrsströme bewegten sich auf den
Ausfallstraßen aus der Stadt hinaus ins Grüne, ins Umland, zu Seen und Dörfern,
Ausflugsstätten, Gasthäusern, Kurorten und Sportstätten. Auf jedem zweiten Auto
waren Surfbretter festgeschnallt. Mountain Bike-Räder und zahmere Stahlrosse
krönten die Dächer anderer Wagen, festgeschraubt in ihrem Halterungsgestänge.
Moritzen-Straße, Grand-Hotel.
Heute war’s ein anderer Türsteher, ein
kleiner Dicker. Er schwitzte.
Sieben Taxis. Aber Sigi war nicht
dabei.
„Fahren wir mal zur Speibach-Gasse“,
sagte Tim. „Vielleicht läßt Tückl sich blicken. Aber erschrick nicht, Pfote! Der
sieht wirklich aus, als hätte er das Zeitliche schon gesegnet.“
„Vielleicht ist er ganz harmlos.“
„Warum wird er dann von Sigi verfolgt?“
„Daß Sigi nicht harmlos ist, wissen
wir. Muß es deshalb auch der Verfolgte sein?“
„Falls er zum Kirchenvorstand gehört,
Pfote, entschuldige ich mich bei ihm für den Verdacht.“
Gaby pustete gegen ihren Pony, traf
aber nicht mal die Haarspitzen, denn jetzt war er wirklich ganz kurz.
Sie radelten zu dem neuen Ziel. Tim
nahm sich vor, auf Struppis Haufen zu achten.
Die Speibach-Gasse war so geschickt
angelegt, daß die Häuser der einen Seite von keinem Sonnenstrahl getroffen
wurden — die auf der anderen Seite hatten ohnehin ständig Schatten. Dazwischen
Kopfsteinpflaster. Wegen Sonnen-Mangels blieb es lange feucht nach jedem Regen,
und im Frühjahr lagen in den Winkeln noch Schneereste, wenn woanders schon die
Schneeglöckchen blühten. Wahrlich keine gute Adresse. In den Mauern der hohen,
alten Häuser
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