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Der erpresste Erpresser

Der erpresste Erpresser

Titel: Der erpresste Erpresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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beiden.
    Tim und Gaby schoben ihre Drahtesel,
und Oskar trottete nebenher.
    Offenbar hatte sich der Zombie
Spaziergang verordnet, jedenfalls war kein Ziel zu erkennen bei dem dauernden
Kreuz und Quer durch miefige Viertel der Innenstadt. Mal blieb er vor Auslagen
stehen, mal sah er auf die Armbanduhr. Am Stehausschank einer Kaffee-Firma
schlürfte er ein Täßchen Espresso. Dann zog er Zigaretten aus einem Automaten.
Eine zündete er an und paffte.
    „Der sollte besser Atemgymnastik
treiben im Wald“, meinte Tim. „Statt dessen zieht er sich die Lungenpest rein.
Aber vielleicht kommt’s bei dem nicht mehr drauf an, und er will noch alles
probieren, bevor er abtritt von der Welt.“
    „Ich finde, er wirkt heiter“, meinte
Gaby.
    Tückl sockte jetzt in Richtung
Güter-Bahnhof. In der Depot-Straße, wo sich Lagerhallen reihen, war kaum eine
Menschenseele.
    Das Pärchen ließ sich zurückfallen, um
sich nicht verdächtig zu machen. Oskar hechelte. Allerdings hatte er gesoffen,
als sie an einem Brunnen vorbeikamen.
    „Er schwenkt ein in die
Prillen-Passage“, meinte Tim und beschattete die Augen mit der Hand.
    Dieser schulterbreite Durchlaß trennt
zwei triste, hohe Gebäude, deren Tore auf Rollen laufen. Staubblinde Fenster
nur im zweiten Stock — jedenfalls in der entsprechenden Höhe. Die Gebäude
dienen als Sperrgut- und Möbellager. Manchmal wird eingebrochen. Aber meistens
lohnt die Mühe nicht — denn welcher Dieb beschleppt sich gern bei Nacht und
Nebel mit Sofas oder Schränken?
    Die Prillen-Passage ist fast 100 Meter
lang und so finster wie das Innenleben eines Gartenschlauchs. Auf der anderen
Seite hat man Unterführungen gewühlt unter die Geleise des Güter-Bahnhofs. Bei
Nacht geht man hier lieber zu fünft und bewaffnet. Auch bei Tag ist es eine
Gegend, die achtsame Eltern ihren Kindern verbieten.
    Tückl schob sich also durch die
Prillen-Passage.
    An deren Ende, wo der Schlauch ins
Freie mündet, ereilte ihn das Schicksal.
    Das Pärchen war gerade eingetaucht in
die Passage, und Tims Blick klebte an Tückls Gestalt.
    In diesem Moment brach der Zombie
zusammen.
    Klatsch! — fiel er aus dem letzten
Meter des Durchgangs.
    Und Tim sah: Eine Gestalt beugte sich
über den Liegenden — ein stämmiger Typ mit möhrengelbem Bürstenschnitt.
    Ein Schlagwerkzeug schwebte bedrohlich
über Tückl, wurde aber kein zweites Mal eingesetzt.
    „Überfall!“ stieß Tim hervor.
    Er ließ sein Rennrad los, umkippen
konnte es nicht wegen der Enge, und spurtete durch die Passage.
    Hinter ihm kläffte Oskar.
    Das störte den Bürstenkopf nicht, auch
einen zweiten Wegelagerer nicht, den Tim jetzt sah. Sie hatten ihr Opfer und
leerten ihm die Taschen.
    Tim bemerkten sie erst in letzter
Sekunde.
    Er schoß aus der Passage heraus,
prallte gegen den Bürstenschnitt-Typen und setzte den Ellbogen ein.
    Waldo — Tim erkannte ihn sofort und war
deshalb nicht zimperlich — ächzte und ging zu Boden, wobei er sein
Schlagwerkzeug verlor: ein Paarwollner Kniestrümpfe. Sie waren übereinander
gezogen, und der innere hatte eine Füllung, gemischt aus Torfmull und
Bleikugeln.
    Tim wirbelte nach links, dem anderen
zu.
    Das konnte nur Olaf sein, Waldos
Mittäter — ein Skinhead, der sich nie wusch, aber täglich den Kopf rasierte.
Seine Rübe war sommerbraun, im linken Ohrläppchen hing ein Ring.
    Olaf glotzte überrascht. Aus der Überraschung
wurde Panik. Mit einem Sprung, der ihm Sportfest-Ehren eingebracht hätte,
setzte er über Tückls ausgestreckten Arm und rannte, rannte — seine
Fallschirmspringer-Stiefel hämmerten auf den Asphalt, während er im Zwielicht
einer Unterführung verschwand.
    „Ich hab’ dich erkannt“, schrie Tim ihm
nach. „Das gibt eine Anzeige, du Mistkerl.“
    Waldo, der bis jetzt nur eine
angebrochene Rippe aufwies, erhob sich.
    Er war 18 — wie Olaf-, stämmig, bekannt
als Schläger, Zoff-Spezialist, Passanten-Anpöbeler, Hooligan (gewalttätiger
Fußballrowdy ) und Autoknacker.
    Daß er auch auf Raub ausging, war
offenbar ein Schritt vorwärts in seiner kriminellen Laufbahn.
    „Dich…“ Waldo sprach nicht weiter.

    Dann sah er, mit wem er es zu tun
hatte.
    Beide Typen hatten schon ihre bösen
Erfahrungen gemacht mit dem TKKG-Häuptling, und die Erinnerung legte sich jetzt
als fahle Blässe über Waldos Bullenbeißer-Gesicht.
    „Schon gut... ich...“, rückwärtsgehend,
schaltete Waldo bereits den zweiten Gang ein, „...wollte dem Mann doch bloß
hochhelfen. Der... ist

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