Der erste Versuch
Budapest sind
sie vorgedrungen. Ob sich allerdings alle diese Kreaturen in
diesen Breiten behaupten konnten…“
„Auch Löwen und Elefanten?“, fragte Emily.
„Auch Löwen und Elefanten, aber davon nicht viele.“
Bei Monor, einer Kleinstadt, erreichten sie die Transitbahn,
die ursprünglich für eine automatische Leitfahrt hergerichtet
worden war. Der dünne silbrige Impulsstreifen glänzte
einladend in der Sonne, die beiden Rover jedoch blieben
unbeeinflusst. Die Straße aber war fast leer. Wahrscheinlich
waren die Fahrzeuge den Leitimpulsen auch dann noch
gefolgt, als die Insassen schon nicht mehr in das Geschehen
eingreifen konnten.
Vor dem Abzweig nach Budapest gerieten sie an das Ende
eines riesigen Staus, den sie jedoch auf der links abbiegenden
Spur passieren konnten. Entweder hatte ein voranfahrendes
Fahrzeug den Treibstoff aufgebraucht oder war aus einem
anderen Grund stehen geblieben, worauf die nachfolgenden im
Sicherheitsabstand automatisch stoppten und von Hand nicht
mehr dirigiert wurden…
Die Reisenden hätten nicht zu sagen vermocht, dass sie sich
an das Unheimliche, das Schauerliche am Wege gewöhnt
hätten. Aber Jahre nach der Katastrophe, auf dem Laufenden
gehalten durch die Kollegen des Orbithafens, zermartert von
Albträumen und Vorstellungen, waren in ihnen Bilder
entstanden, mit der Zeit verblasst zwar, die in ihrer
Grauenhaftigkeit mit dem, was sie in der Wirklichkeit antrafen,
nicht übereinstimmten. Die strotzende, vom Menschen
unbeeinflusste Natur hatte das Grässliche wie mit einem
Schleier überdeckt: Hecken vor den Häusern waren in die
Höhe geschossen, aus Ritzen und Fugen wucherte es grün,
altes Laub und Moos bildeten auf den Gehwegen den
Kompost, der die Menge der sichtbaren Skelettteile auf ein
erträgliches Maß reduzierte. Es gab keine leeren
Fensterhöhlen, keine zerbrochenen Scheiben. Nur vertrocknete
Pflanzen hinter dem Glas zeugten von dem mörderischen
Ereignis. Natürlich waren da Anzeichen von Verfall, hier und
dort bröckelten Farbe und Putz, vielleicht etwas mehr, als man
ehedem in belebten Wohnstätten mancher Region auch zu
sehen bekommen hatte.
Das Bild veränderte sich freilich gründlich, wenn man das
Innere von Gebäuden aufsuchte, wo die Haltung manchen
Skeletts noch die Verrichtung erahnen ließ, bei der dieser
Mensch den Todeshauch aufnahm.
Alina und Connan versuchten die Konfrontation der Tochter
mit derartigen Szenen weitgehend zu vermeiden. Doch sie und
ihre Reisegefährten hatten sich vorgenommen,
Verkaufsstellen, Gasthäuser oder auch Wohnungen zu
inspizieren, in der Hoffnung, in der allgegenwärtigen dicken
Staubschicht jüngere Spuren eines Lebendigen zu entdecken.
In einem Almtal, weit entfernt von jeder Siedlung, schlugen sie
ihre Zelte für die erste Übernachtung auf. Kevin fing im
Handumdrehen im nahen Bach mehrere Forellen, die sie am
offenen Feuer brieten. Insbesondere Emily zeigte sich von
dieser Art Romantik begeistert. Auf dem Mars galt – der
kostbaren Atmosphäre wegen – ein strenges Verbot, jedweden
Sauerstoff unnütz zu verbrauchen und Verbrennungsgase zu
erzeugen.
Später überraschte Kevin erneut, indem er aus seinem Rover
eine Gitarre hervorholte. Gemeinsam mit Sophie sang und
begleitete er Volkslieder verschiedener Nationen, freudigst
aufgenommen von den drei Begleitern, aber höchstens mit
bruchstückhaften Texten der ersten Strophe unterstützt.
Einige Hunde gesellten sich in gehörigem Abstand zum
Feuer und waren dankbar für jeden Happen, der ihnen
zugeworfen wurde. Käuze und andere Nachtvögel riefen,
Fledermäuse führten ihren erstaunlichen Zickzackkurs vor,
Frösche und Kröten intonierten Konzerte, und eine Igelfamilie
überquerte den Lagerplatz.
Sie erreichten gegen Abend des folgenden Tages das alte
Städtchen Porec auf Istrien, übernachteten in dessen Nähe nach
ausgiebigem Baden im Meer. Den Ort selbst suchten sie nicht
auf, aus Furcht, in den engen Gassen auf allzu viele Überreste
der Opfer zu treffen.
Am nächsten Mittag fuhren sie in Pula ein und suchten
sogleich den Hafen auf, der einen verhältnismäßig
aufgeräumten Eindruck vermittelte. Wind und Wellen hatten
wohl die Decks der Boote gefegt, und zwischen dem groben
Steinpflaster des Kais wucherte hohes Gras.
Die meisten Boote hingen wassergefüllt an Ketten oder an
Seilen, wenn diese aus Kunstfasern bestanden. Aber genügend
Schiffchen aus Plastik schaukelten auf den kleinen Wellen,
doch es dauerte, bevor Kevin beim fünften Versuch
Weitere Kostenlose Bücher