Der erste Versuch
ein ausgeklügeltes, alle ehemals gängigen Frequenzen
einbeziehendes Funknetz – und natürlich auch visuell – nach
Überlebenden suchen sollten. Es war dies das erste riskante
Großunternehmen dieser Art nach der Katastrophe. Niemand
wusste, ob allenthalben Energie und im Eventualfall
Lebensmittel sowie für die Weiterreise Einzelner Fahrzeuge
beschafft werden konnten.
Natürlich wäre es für Alina und Connan sehr reizvoll
gewesen, diese gewiss aufschlussreiche Reise mitzuerleben.
Allein das Ereignis mit den zehn aus dem Dauerschlaf
erweckten Japanern veranlasste sie, anders zu disponieren.
Sie sprachen mit einigen von ihnen, ließen sich ausführlich
die Funktion der Station, aus der diese kamen, erklären, fragten
sie aus, ob ihnen noch andere Depots dieser Art oder Angaben
zur ehemaligen Vereinigung für das zweite Leben bekannt
waren, was jedoch verneint wurde.
Es ergab sich, dass ein Paar mittleren Alters, Sophie, eine
Operaterin aus dem Hafen, und Kelvin, bislang Techniker in
der Station Mars VII, die Absicht bekundeten, eine
Europareise ohne bestimmtes Ziel auf der Straße zu
unternehmen.
Sie trafen sich zufällig auf dem Parkplatz am Kosmodrom
während der Auswahl eines geeigneten Vehikels mit Alina,
Connan und Emily, und man einigte sich schnell, das
Abenteuer gemeinsam anzugehen, allerdings – schon wegen
der umfangreichen Ausrüstung – mit zwei geländegängigen
Fahrzeugen.
Durch Überprüfung und Vergleich von aufgezeichneten
Weltnachrichten unmittelbar vor der Katastrophe hatte sich die
Annahme verdichtet, das HAARP-Projekt könne der Auslöser
für die Vernichtung der Menschheit gewesen sein. Von drei
Punkten der Erde aus, Indien, Alaska und Kroatien, waren
Radiowellen höchster Leistung gleichzeitig in die Ionosphäre
geschossen worden, die wahrscheinlich
– entsprechende
wissenschaftliche Bestätigungen konnten nicht erbracht
werden – mit niederfrequenter Strahlung von nie gekannter
Intensität geantwortet hatte, was möglicherweise den
milliardenfachen Hirntod der Menschen, und nur der
Menschen, auslöste.
Aus diesem Grund schlug Alina vor, man solle Unije
aufsuchen, „weil es gleichsam am Weg liegt“, und sich dort
umtun. Vielleicht ergäben sich Erkenntnisse, die zu einer
Klärung beitrügen. Außerdem, so argumentierte sie, reise man
durch sehenswerte Gefilde.
Sie fuhren zunächst auf Nebenstraßen von Pusztamonostor
südwärts, um dann auf der Ost-West-Achse, aus nahe
liegenden Gründen Budapest umgehend, über Slowenien auf
Istrien zu gelangen.
Die Freude an der schönen Landschaft schwand, je weiter sie
sich vom Kosmodrom und seiner Umgebung entfernten. Sie
fuhren zunächst über beräumte Straßen, doch dann nahmen die
ursprünglichen Zeugnisse der Katastrophe stetig zu.
Mit einiger Sicherheit wusste man inzwischen, dass das
Ereignis gegen nulluhrdreiundsiebzig stattfand, ein Zeitpunkt,
zu dem im Allgemeinen der Straßenverkehr nachlässt.
Dennoch trafen die Reisenden auf eine beachtliche Menge von
Fahrzeugen, die links und rechts der Straße, offenbar nach dem
Schlag, führungslos in die Gräben gerutscht waren. Einige
standen quer oder waren mit anderen kollidiert.
Alsbald erblickten sie auch die damaligen Insassen der
Transporter: Durch die Fenster sahen sie Skelette, die über
dem Steuer hingen, Knochen lagen allenthalben auf der Straße.
Alina bat Connan beim ersten Anblick dieser Art zu halten.
Sie stiegen mit Emily aus, erklärten und bereiteten sie auf
Kommendes in weit größerem Ausmaß vor.
Sie versuchten vom Grässlichen auch insofern abzulenken,
als sie das Mädchen auf die Schönheiten und Unversehrtheit
der Natur aufmerksam machten: Große Rinder- und
Pferdeherden strichen über die Puszta. Schafe weideten,
Störche stelzten dazwischen, und eine Menge
unterschiedlichster Vögel lärmte in den Büschen am
Straßenrand.
Wiesen standen in verwilderter Blüte, von zahllosen bunten
Schmetterlingen übergaukelt. Bienen sammelten emsig,
Hummeln und Hornissen brummten ihres Weges.
Einmal, im Weiterfahren, rief Emily plötzlich: „Kamele!“
In der Tat grasten unmittelbar neben der Straße ein Kamel
und zwei Dromedare. Sie blickten kauend und hochmütig auf
die langsam fahrenden Rover und zeigten nicht die geringste
Scheu.
„Die Leute vorn Orbithafen haben wenige Tage nach der
Katastrophe mit Luftschraubereinsätzen Ställe und Gehege im
Umfeld geöffnet und die Tiere freigelassen“, gab Alina ihr
Wissen weiter. „Bis zum zoologischen Garten in
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