Der Esper und die Stadt
zog seinen Sessel zum fernen Ende der Penn-Station und rannte hinter den jungen Leuten her, die noch vor kurzem Mitglieder seiner Bande gewesen waren. Es war ein letzter Versuch, seine Autorität zurückzugewinnen.
„Halt! Gebt mir die Beutel!“
Sie warteten auf ihn. Als er sie erreicht hatte, stapelten sie fast geräuschlos die Einkaufsbeutel vor ihm auf und gingen. Als sie an einigen Schaufenstern vorbeikamen, fingen sie an miteinander zu scherzen. Jack sagte etwas. Nicholi lachte.
Als er sie beim Weggehen beobachtete, stellte Weeny sich vor, daß sie über ihn Witze rissen. „Ich spreng’ die ganze Scheiße in die Luft“, murmelte er. „Krepieren sollt ihr, ihr Arschlöcher.“
In den vier Einkaufsbeuteln befand sich genug Sprengstoff, um die ganze Gegend in die Luft zu jagen. Weeny erinnerte sich an die Zeit, in der sie George auf einen Ingenieur eingestimmt hatten, der in einem Atomkraftwerk arbeitete. Dabei hatte er eine Karte gezeichnet, die den Austausch der Kühlflüssigkeit betraf, die verhinderte, daß das der Stadt gratis zur Verfügung stehende Heißwasser nicht verdampfte. Es hing irgendwie mit dem Sicherheitskühlsystem des Kraftwerks zusammen und hatte ein paar Schwachstellen.
Während er sich an die Karte zu erinnern versuchte und keuchend fluchte, da die vier schweren Beutel bei jedem Schritt gegen seine Beine prallten, schleppte Weeny seine explosive Fracht auf die Eingänge der Untertunnels zu.
Beinahe wäre er daran vorbeigelaufen. Es war eine Art überdimensionale Garagentür und fiel inmitten der Korridorwand kaum auf. Wie George vorausgesagt hatte, befand sich in ihrem Mittelpunkt eine kleine Tür. Eine simple Zahlenkombination öffnete sie, und auf der anderen Seite fand Weeny die Stelle, die George ebenfalls vorausgesagt hatte: einen breiten Tunnel, der sich leicht nach unten neigte. Seine Wände waren mit Rohrleitungen und Kabelsträngen bedeckt, und überall erklang das dumpfe Rumpeln sich bewegender und zirkulierender Wasser- und heißer Flüssigkeitsmassen. Die Menschen, die auf der anderen Seite der Wand lebten, konnten gratis heiß duschen, ihre Wäsche waschen, in geheizten Schwimmbecken plantschen oder sich in der Sauna entspannen. Das Schmutzwasser war sauberdestilliert und recycled worden. Die Leute, denen das heiße Wasser zukam, fragten nicht danach, wie es erwärmt worden war, aber es handelte sich um ein Abfallprodukt der städtischen Energieerzeugung, um Austauschwärme aus dem Kühlsystem des Atomreaktors. Das destillierte Wasser führte, wenn es von dem „heißen“ Ort kam, von dem es stammte, keine Strahlung mehr mit sich.
Als George auf den Kraftwerksexperten eingestimmt worden war, hatte er dies der Bande erklärt. Weeny hatte den Vorschlag gemacht, dem Wasser Salz zuzuführen, damit die Stadt überall dort radioaktiv verseucht wurde, wo man Warmwasser benutzte. Aber Larry war dagegen gewesen und hatte seinerseits vorgeschlagen, eine kleine Sprengladung hier anzubringen, um die Rohrleitungen in die Luft zu jagen. Wenn sie die Stadt ihrer gesamten Energie berauben wollten, war es am besten dafür zu sorgen, daß der Atomreaktor sich überhitzte. Welche Ladung dazu ausreichte, hatte er allerdings nicht gesagt.
Aber Weeny hatte schon damit gerechnet, daß er das selbst würde herausfinden müssen. Vor sich hinsummend und beinahe glücklich stieß er schließlich auf dem Boden in der Nähe der Waschkabinen für die Arbeiter auf die schmutziggelben Arbeitsanzüge, genau wie George es ihnen prophezeit hatte. Er zog einen davon an und sah nun aus wie die Arbeiter im Fernsehen. Vor sich hin summend schleppte er die Beutel an eine Stelle, wo die ganze Wand mit Rohrleitungen bedeckt war. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was geschehen würde, wenn all die Bomben hochgingen, aber er wollte auf alle Fälle fünfzig Kilometer von hier entfernt und nicht mehr im Tal sein, wenn es soweit war. Was immer auch geschah – die Leute würden sich noch jahrelang an die Auswirkungen erinnern. Und wenn es ihm gelang, eine andere Bande ausfindig zu machen, der er sich anschließen konnte, würde er damit angeben, derjenige gewesen zu sein, der das große New Yorker Desaster von 1999 angezettelt hatte. Er zweifelte nicht daran, daß die Jungs ihn dann mächtig bewundern würden, und um Bettgefährtinnen brauchte er sich dann auch keine Sorgen mehr zu machen.
Dennoch bereitete ihm das Gefühl, daß George in der Nähe sein könnte, große Sorgen. Weeny pfiff vor sich hin und
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