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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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wandte ich mich nach rechts, wie er es erwartet hatte. (Wie er es gewollt hatte?)
    Nicht nachdenken. Vor Entsetzen schlotternd jagte Weeny geradewegs durch die Mitte auf die Freiheit zu und versuchte im letzten Moment eine Finte. Ich traf ihn mit der Faust genau gegen die Schläfe.
    Der Moment der Panik war nur kurz gewesen. Der schlaksige, picklige Junge lag mit verdrehten Gliedern – als befände er sich noch auf dem Sprung – auf dem Boden, und seine Pose drückte immer noch Entsetzen aus. Aber er dachte nicht mehr. In Weenys Kopf war alles dunkel.
    Ich trat über den leblosen Körper hinweg und versuchte irgendwo hinzugehen. Aber wohin? Wellen der Finsternis hüllten mich ein und verdunkelten die Umgebung. In meinem Mund schmeckte es stark nach Chemikalien. Es war wie ein bitteres Parfüm, wie diese grünen Pillen. Warum war ich hier? Wo war ich hier überhaupt?
    War ich hier, um jemanden zu retten? Es war nicht einfach, auf den Beinen zu bleiben. Jetzt, wo niemand mehr da war, auf den ich mich konzentrieren mußte, und Weenys Gedanken und Ängste verstummt waren, zeigte die Überdosis des Sedativums schließlich ihre Wirkung. Versagen der Atemreflexe; Aussetzen des Herzens … Mir war kalt, und ich war müde. Am liebsten hätte ich mich hingelegt. Der Boden erschien mir wie ein Bett, und ein Paket, das da herumlag, kam mir wie ein Kissen vor. Ich beugte mich zu ihm hinab, und es schrie Gefahr ! Konnte ein Paket gefährlich sein? Im ganzen Raum waren Pakete und Einkaufsbeutel verstreut. Sie standen an den großen, freiliegenden Rohrleitungen. Ich starrte sie an, und sie strahlten ein wenig von Weenys Erinnerungen aus. In all den Paketen befand sich Sprengstoff. Und einige der Bomben tickten.
    Ich taumelte auf einen Alarmmelder zu, schlug mit der Faust die Scheibe ein und drückte den Hebel herunter.
    Einige Stockwerke höher flammte in der Wachstation ein Monitor auf, und eine Alarmglocke fing mit beharrlicher Beständigkeit an zu läuten. Zwei Wartungsingenieure sahen von ihrem Spiel auf. Auf Schirm 22 blinkte ein rotes Licht. Das Bild zeigte einen Mann in einem standardisierten, gelben Arbeitsanzug, der gerade den Hebel zog. Während sie ihm zusahen, fiel er um.

 
9
     
    Der Rettungswagen schwebte zum Notfalltor des Hospitals hinauf und lieferte ein Opfer ab, das auf einer Lebenserhaltungsbahre lag. Dann nahm die Mannschaft eine Ersatzbahre an Bord und machte sich auf den Weg, um einem anderen Notruf nachzugehen. Das Opfer wurde in den Wiederbelebungsraum gebracht, wo man mit Hilfe einer Ballonweste die Luft aus dem Oberkörper drückte und mittels einer Sauerstoffmaske Frischluft zuführte. Ein elektrischer Schrittmacher brachte das Herz wieder zum Schlagen. Die Krankenhaustechniker bandagierten eine blutende Wunde, begannen mit einer Bluttransfusion, entnahmen Blutproben, um den möglichen Grad einer Vergiftung festzustellen und stellten zeitweise die Maschinerie ab. Kein Atem, kein Herzschlag. Sie stellten die Anlage wieder an und setzten eine Blutpumpe und eine künstliche Niere ein, die das Blut wieder zum Zirkulieren brachte, im ganzen Körper verteilte. Als es durch die Anlage lief, wurde es gewärmt und gereinigt. Die seltsamen Salze des Sedativums wurden entfernt und durch normale – sowie Zucker und Hormone ersetzt. Dann wurde der Körper mitsamt der Bahre und der restlichen Ausrüstung in einen faßförmigen Behälter gefahren, der zu einem tieferen Atmen zwang und einen anderen Luftdruck hatte. Dann fing der Behälter an sich zu bewegen, um den Blutkreislauf anzuregen. Er tat dies in einem solchen Maße, daß jeder, der bei Bewußtsein gewesen wäre, auf der Stelle seekrank hätte werden müssen.
    Als das Herz des Opfers wieder zu schlagen anfing, trennte man den Patienten von der Notausrüstung, pumpte ihm den Magen aus, verpaßte ihm eine Magenspülung und brachte ihn halb bewußtlos, aber gesund, in ein normales Krankenhausbett.
     
    Während die eine Krankenschwester meinen Rückenverband wechselte, fing die andere an, mich abzuschrubben.
    „Wofür ist das denn?“ fragte die Schwesternhelferin gutgelaunt, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Als sie angefangen hatte, war ich noch nicht ganz wach gewesen. Ein Antiseptikum, das den warmen Gummischwamm zum Schäumen brachte, befreite mich von den hart gewordenen Streifen getrockneten Blutes und ließ nichts als saubere, sonnengebräunte Haut zurück.
    „Drehen bitte.“ Sie gab mir einen Schubs. Ich rollte vom Bauch auf den Rücken, lag

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