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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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existierender, mächtiger Schatten hinter ihm her und streckte die Arme nach ihm aus. Weeny erreichte den beleuchteten Eingang der U-Bahn-Station, keuchte und schluchzte vor Entsetzen und kauerte sich auf eine Bank, wobei er den Beutel mit den Explosivstoffen zwischen den Beinen deponierte. Allmählich kam ihm die Gegenwart der hellen Lampen und anderen Menschen wie ein ausreichender Schutz gegen Geister vor.
    Georges Stimme klang jetzt gelassen und schien aus noch weiterer Ferne zu kommen. „Du meinst also, ich müßte dich erwürgen. Okay. Wenn du meinst … Wie aber komme ich von dieser Wurzel weg, Weeny? Wie soll der Zombie an der Wurzel entlang wieder den Abhang hinaufklettern und hinter dir herjagen, wenn er nur eine gesunde Hand hat, aber zwei braucht, wenn er weiter hier hängen will?“
    „Er würde seine Zähne benutzen“, dachte Weeny und malte sich ein paar Reißzähne aus, mit denen der Zombie in die Wurzel biß. Blutbeschmiert wie er war, arbeitete er sich mit Zähnen und Klauen auf den Rand des Abgrunds zu, schwang sich – beinahe wie Tarzan – wieder auf festen Boden, richtete sich auf … folgte ihm … fand ihn mutterseelenallein auf Coney Island und legte seine mächtigen Pranken um seinen Hals.
    „Ist was?“ fragte eine Stimme in seiner Nähe.
    Weeny sprang mit einem Röcheln auf die Beine und langte nach seinem Messer. Aber es war nicht in seiner Tasche.
    Wie in einem Blitz sah er die Gestalt George Sanfords vor sich stehen, dann ließ seine überdrehte, völlig aus den Fugen geratene Phantasie das Bild fallen, und er sah nur die Mitglieder der Bande, die ihn musterten.
    „Ja, Weeny, was ist denn los? Du zitterst ja.“
    Er hörte, wie George Sanford in der Ferne über ihn lachte.
    „Laßt uns gehen“, sagte Weeny dumpf. Sie suchten sich ein paar Gleitsessel, beluden sie mit ihren Einkaufsbeuteln und setzten sich in Richtung auf die Innenstadt in Bewegung.
    Wenn George wirklich seine Zähne zu Hilfe genommen und sich auf die Art gerettet hatte, die Weenys Phantasie entsprang, war er weit hinter ihnen. Außerdem konnte er die U-Bahn nicht benutzen, denn er hatte keine Transportmünze. Selbst wenn er ihr Versteck absuchte – er würde die Stelle unter Weenys Schlafsack, wo er sein Kleingeld versteckt hatte, nicht finden.
    „Versuch’ dir vorzustellen, wie ich es finde, damit ich dir folgen und dich erwürgen kann“, sagte Georges Stimme in seinem Kopf. „Ich gehe jetzt durch die Tür.“
    In einer Welle von Panik stellte Weeny sich vor, wie George gelassen seinen Schlafsack beiseite rollte, das Kleingeld fand und dazu benutzte, sich einen Gleitsessel zu nehmen, um ihm zu folgen: ein finsterer, ausdrucksloser Schatten, beschmiert mit Streifen roten Blutes. Ein Zombie aus einem Horrorfilm.
    Wieder hörte er in der Ferne dieses Lachen.
    „Du denkst so laut über mich nach, Weeny, daß du mich glatt hinter dir herziehst. Ich kann gar nichts machen. Ich muß tun, was du denkst. Weil ich nämlich …“
    Weeny sah panisch von einer Seite zur anderen, aber er sah nur die mit Erwachsenen gefüllten Gleitsessel, die aus der Stadt heraus- oder in sie hineinfuhren. Die Bandenmitglieder sahen ihn an und warfen sich gegenseitig Blicke zu. Seine Furcht schien ihnen nicht zu behagen. Klar, daß er ihnen nichts von einem Geist oder irgendwelchen Stimmen in seinem Kopf erzählen konnte.
    „Es macht mir keinen Spaß mehr“, sagte Nicholi mit gedämpfter Stimme. „Ich habe überhaupt kein Verlangen mehr danach.“ Plötzlich setzte sie ihren Einkaufsbeutel auf Jacks Schoß ab. „An der Penn-Station steige ich aus. Ich mache nicht mehr mit.“ Sie klinkte ihren Sessel aus und versetzte ihn in eine Drehbewegung, damit er auf eine langsamere Spur überwechselte und die nächste Haltestation anfuhr.
    „Ich steige auch aus“, sagte Jack. „Ich werd ’n bißchen Geld ausgeben und einen draufmachen. Sag’ Larry, daß ich ausgestiegen bin.“ Er klinkte ebenfalls seinen Sessel aus, ging auf eine andere Spur und fiel zurück.
    „Ich auch“, sagte Perry und drehte sich.
    Die Bande war zerfallen. Mit den großen Plänen war es vorbei.
    „Laßt das Zeug hier!“ rief Weeny halblaut. Ihm wurde nun klar, daß er die Penn-Station erreichen mußte, bevor er an ihr vorbeigefahren war. Er steuerte seinen Sessel mit dermaßen abrupten Richtungswechseln und Verlangsamungen von einer Spur zur anderen, daß eine automatische Sicherung in Tätigkeit trat und die Sessel verlangsamte, deren Weg er kreuzte. Weeny

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