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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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dann aber nicht ausführt.“
    „Hm, hm, da haben wir ein paar Fälle; hauptsächlich Gewaltandrohung und Angriffe, bei denen niemand verletzt wurde. Schüler, die ihre Lehrer mit Farbbeuteln bewarfen oder ihnen in der High School die Kleider zerrissen. Und einen Haufen Erwachsenen-Vandalismus.“
    „Welche Art Vandalismus? Geben Sie mir Einzelheiten.“
    Mit monotoner Stimme las er vor: „Grundlose Gewaltakte, Typ zwo: Vorhänge und Bilder abreißen oder mit Messern aufschlitzen. Typ drei: Abbildungen von Persönlichkeiten mit Sprühdosen oder Filzstiften beschmieren – entweder durchstreichen oder übermalen. Typ vier: Zeichnungen von blutigen Schwertern, Messern, Äxten.“ Die monotone Stimme hielt inne und fragte in normalem Tonfall: „Brauchen Sie mehr?“
    „Das reicht mir“, sagte ich. „Ich krieg den Standpunkt schon hin. Lesen Sie mir die Einzelheiten der Angriffe vor. Aber langsam.“ Ich fühlte mich jetzt schon gewalttätig.
    „Wofür? Was haben Sie vor?“
    „Ich versuche, mich auf einen Verdächtigen einzustimmen. Zu denken wie er“, sagte ich in das Telefon. „Ich bin in der Gegend. Auf der einen Seite liegen die Kunst- und Handwerks-Kommunen, auf der anderen wohnen die alten Italiener. Ruhige Leute, die keinen Grund haben, sich wütend zu fühlen oder an Blut zu denken, aber wenn ich da vorbeigehe, um einen Teller Spaghetti zu essen, kann ich es fühlen. Jemand in diesem Block hat an Gewalt gedacht und sendet seit Jahren schlechte Vibrationen aus. Die Kinder gehen hier auf dem Weg zur Schule vorbei. Ich wollte sehen, ob die Vibrationen sie erreichen. Und das tun sie. Und zwar saftig. Ich versuche, mich auf die Vibrationen einzustimmen, um zu sehen, ob ich in den Kopf des Burschen reinkomme.“
    „Alles in Ordnung mit Ihnen da draußen?“ fragte die Telefonstimme mißtrauisch. „Sind Sie ausgeflippt oder was?“
    Bisher hatte ich immer mit Ahmed zusammengearbeitet, und er hatte die Telefoniererei erledigt. Vielleicht machte ich irgendwas falsch. „Schauen Sie, wenn Sie zu beschäftigt sind, um die Bulletins der Rettungsbrigade zu lesen, können Sie auch nichts über mich wissen. Sie geben mir besser jemanden, der nicht so beschäftigt ist, in Ordnung?“
    Ich warf einen Blick nach draußen und hörte die Geräusche der aufwachenden Nachbarschaft, roch den Duft von gebratenem Speck und sah die Zeichnung einer blutigen Axt auf einem alten Ziegelgebäude. Das Haus sah uralt aus. Sein staubiges Aussehen und das Bild der blutigen Axt auf der Wand erzeugten in mir das Gefühl, jemand zu sein, der blutige Äxte liebte und ganz in der Nähe wohnte.
    „Ich bin nicht beschäftigt. Nun seien Sie nicht eingeschnappt“, sagte das Telefon. „Was soll ich Ihnen vorlesen?“
    „Lesen Sie die Liste der Anschläge vor, mit allen Einzelheiten, aber langsam; dann fragen Sie mich laut nach meinem Namen und meiner Adresse. Stellen Sie klare Fragen und schreiben Sie auf, was ich antworte.“
    „Wie soll ich fragen?“
    „Einfach so: Wie heißen Sie? Wo wohnen Sie?“ erwiderte ich. Jetzt kamen mehr Leute vorbei. Ein junger Bursche eilte vorüber, knöpfte sich die Jacke zu und ging eilig zur Arbeit. Zwei Mädchen schlenderten heran; sie hatten Badekleidung an und Handtücher bei sich.
    „Sind Sie der Neue, den wir eingestellt haben?“ fragte der Expedient über das Telefon. „Der mit der Wünschelrute?“
    „Nein. Ich erkläre es Ihnen ein andermal. Lesen Sie jetzt nur die Liste vor.“ Ich hatte das Gefühl, daß der Kerl, der was Gewalttätiges vorhatte, jetzt aufgewacht war und sich anzog. Vielleicht wollte er das Haus verlassen. Ich musterte einen untersetzten Arbeiter mit sandfarbenem Haar, der vorbeiging. Der Bursche, den ich suchte, mußte so ähnlich aussehen. Aber hatte ich den Nerv, jemanden anzuhalten, nur weil er schlechte Vibrationen ausstrahlte?
    Nein.
    Der Expedient verfiel wieder in seine monotone Sprechweise.
    „Zwölf Fälle, in denen Schüler vier Kunstlehrer mit Tinte oder Farbe bespritzten. Zerrissene Kleider in drei Fällen. Eine Spaziergängerin aus Jersey City wurde gefesselt, bedroht und kahlgeschoren von einem unidentifizierten männlichen Attentäter, mögliches Alter zweiundzwanzig, brünett. Sie wurde gebunden, aber unverletzt in einem Mülltonnen-Lagerraum im zweiten Block Wilmont Street gefunden.“ Während die monotone Stimme langsam die Einzelheiten vorlas, stellte ich mir vor, die von ihr beschriebenen Dinge getan zu haben. Als ich dem Mädchen den Kopf schor,

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