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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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dem kolbenähnlichen Gefährt folgen. Ich schluckte; meine Trommelfelle klingelten und knackten. Ich ergriff wieder den Türknauf. Die Tür schwang mit einem Zischen auf, und ich hielt sie offen. Die Menge eilte die Stufen hinab, und die Leute, die an mir vorbeigingen, bedankten sich höflich. Mit jedem Dankeswort empfing ich das Angstgefühl der Vorübergehenden. Ich musterte das Gesicht einer Frau, das eines Teenagers, das eines jungen Mädchens und das eines gutaussehenden Mannes in den mittleren Jahren und suchte in ihnen nach etwas anderem als Angst. Aber ich fand nichts als Furcht und den mich an Mäuse erinnernden Instinkt, aus einer Falle zu entkommen. Die Leute fürchteten sich vor der Angst, deswegen waren sie auch so still. Sie fürchteten sich davor, den anderen einzugestehen, daß ein Gefühl sie dazu trieb, vor einem drohenden Unheil, das bis jetzt nur in ihrer Vorstellung bestand, zu fliehen.
    „Hmm“, sagte ich, als auch der letzte die Treppe hinuntergegangen war. „Laß uns gehen, Ahmed, vielleicht haben sie recht.“ Ich winkte meinen Freund durch die Tür und eilte hinter ihm her in den tiefer liegenden, gläsernen Raum, der mit Tischen und Zeitschriften bestückt war, um die Wartezeiten zu erleichtern. Ich hörte, daß sich hinter mir die Tür wieder schloß. Dann erklang erneut das Surren des Aufzugs, der eine neue Menschenladung nach oben brachte.
    Ich lehnte die Stirn gegen die dicke Glaswand und sah auf die kleinen Docks und die vielen elektrisch angetriebenen Boote hinaus. Sie umschwärmten die Insel und dümpelten unter dicken grauen Wolken in der aufgewühlten See.
    „Was bringt uns das?“ fragte Ahmed.
    „Die Rettung.“
    „Und was wird aus dem Saboteur?“ fragte Ahmed und hörte sich ein wenig gereizt an. „Was fühlt er? Was denkt er? Fängst du überhaupt etwas auf?“
    „Es ist eins von diesen Booten da“, sagte ich und log bewußt, um Ahmed davon abzuhalten, seinem Pflichtbewußtsein zu folgen und in die Kuppel zurückzukehren. „Oder ein kleines Unterseeboot, irgendwo da draußen. Das Dach der Aussichtsplattform wird in die Luft fliegen. Sorg dafür, daß Rettungsboote hergeschickt werden. Nimm deinen Sender, beeil dich. Und besorge mir einen Hubschrauber. Ich muß in die Luft, um das Boot auszumachen.“
    Es waren nicht alles Lügen. Manches davon fühlte sich an wie eine Wahrheit. Ich preßte immer noch meine Stirn gegen die Glaswand und hielt Ausschau. Ich wußte, daß ich alles sagen würde, nur um hier herauszukommen.
    Ich versuchte mich in den Gedanken an Sabotage einzustimmen und mich dem Geistesinhalt der anderen zu öffnen, aber das drängende Gefühl, fliehen zu müssen, kam sofort zurück, machte mich krank und überschwemmte alles andere. Warum? fragte ich meine Angst. Was wird geschehen? loh sah das Bild von Pferden, die von innen ihre Stallmauern zertraten, eine durchgehende Rinderherde, ein Küken, das sich den Weg aus einem Ei frei pickte, obwohl es noch ein Embryo war und an der Luft noch gar nicht leben könne. Die tretenden Beine eines Skeletts in einer Blase, und die Blase löste sich auf. Die Bilder waren verwirrend. Ich schob meine Gedanken beiseite und musterte die draußen liegende Inselplattform.
    Die Plattform war voller Menschen. Sie standen zitternd im kalten Wind und warteten scheinbar darauf, daß sie endlich an der Reihe wären, eine Fahrt auf den kleinen Booten zu machen. Aber ich wußte, daß sie nur deswegen hinausgegangen waren, weil sie es im Inneren der Kuppel nicht mehr aushalten konnten.
    Ahmed berührte meinen Arm. Er hatte die Hörstöpsel seines Armbandsenders in beiden Ohren, und seine Stimme hörte sich seltsam taub an. „Das Hauptquartier will wissen, warum, George. Kannst du ihnen ein paar Einzelheiten geben?“
    „Sag ihnen, daß sie noch fünf Minuten haben; wenn sie Glück haben, auch sieben. Hol die Patrouillenboote her, damit sie die Sache stoppen. Und …“ – ich schrie beinahe in Ahmeds Armmikrofon – „… SCHICKT MIR SOFORT DIESEN HUBSCHRAUBER! Bringt ihn schnellstens her! Sobald wir die Luftschleuse passiert haben, werden wir ihn sofort brauchen!“
    Die gläserne Schleusentür öffnete sich, und die Leute schoben sich taumelnd hinaus. Dahinter befand sich ein weiterer Raum mit Glaswänden. Wir versammelten uns vor den gläsernen Wänden wie Motten an einem erleuchteten Fenster und sahen hinaus.
    „Warum dauert das bloß so lange?“ Es war ein klagender, weinerlicher Laut, wie die nächtliche Sirene eines

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