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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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philosophische Diskussion, die du da angeleiert hast. Und dabei mußte ich fortwährend niesen. Wieso führst du heute die philosophischen Gespräche, und ich werde zusammengeschlagen? Heute läuft wirklich alles verkehrt rum.“
    „Du bist der Gescheite, Ahmed“, sagte ich langsam und nahm hin, daß ich die ganze Zeit unter seinem Schutz gestanden hatte. „Danke, daß du aufgepaßt hast.“ Ich sah auf meine Hände und war immer noch unentschieden. „Wieso klang alles nur so richtig, was der Bursche sagte?“
    „Finde ich nicht.“ Ahmed unternahm den Versuch, sich die Spinnweben von den Ärmeln zu streifen. „Was du sagtest, hatte einen Sinn.“
    „Aber Larry sagte, daß die Techs alle anderen auslöschen.“
    „Vielleicht tun sie das, aber sie bringen keinen um. Das tut dieser Bursche.“
    Ich legte die Handflächen gegeneinander, spürte, daß sie schweißnaß waren und trocknete sie an meinem Hemd ab. „Ich hätte den Jungen beinahe umgebracht. Aber das, was er sagte, hörte sich richtig an. Er sprach über die Sachen, wie sie sind und wie sie noch kommen werden, wie das Schicksal auch. Es ist legal, Leute zu sterilisieren, aber sie töten …“
    „Töten ist unphilosophisch“, sagte Ahmed. „Du bist übermüdet, George. Nimm’s nicht so schwer. Wir hatten einen langen Tag.“
    Ich hörte das Heulen einer Polizeisirene und einen entfernten Schuß. Ahmed steckte sich wieder den Stöpsel ins Ohr. „Sie haben gerade jemanden mit einer Brille erwischt. Das Gas wirkte bei ihm nicht. Sie mußten ihn mit einem Nadler anhalten. Vielleicht war’s Larry. Laß uns versuchen hier rauszukommen.“
    Wir warfen einen dicken Haufen Decken in den Korridor hinaus. Als niemand schoß, gingen wir vorsichtig hinaus, tasteten uns durch den langen, finsteren Gang und suchten nach einem Ausgang.
    „Du glaubst also“, sagte Ahmed, „daß Larry ein launischer Finger an der tastenden Hand der Zukunft war? Irgend jemand hat mal gesagt, daß keine Macht der Welt der Kraft einer Idee widerstehen kann, deren Zeit gekommen ist. Als ich allerdings da oben lag, die Spinnen auf mir herumkrabbelten und ich dir zuhörte, hatte ich den Eindruck, du seist dabei, eine neue Metaphysik zu erfinden. Hattest du nicht noch eben vor, das Schicksal außer Kraft zu setzen?“
    Der Korridor wurde breiter. Ich spürte einen staubfreien, frischen Luftzug und sah einen Lichtschimmer, der durch irgendein Loch drang. Wir brachten es hinter uns und landeten an einem Ausgang, deren Tür eingeschlagen war. „Ich weiß nicht, Ahmed“, sagte ich geistesabwesend. Er meinte wohl, ich hätte über was nachgedacht. Ich versuchte mich daran zu erinnern.
    Aber ich erinnerte mich nur an Halluzinationen. Sieben komische Philosophen, die am Rande des Pazifiks saßen und mir schlechte Ratschläge erteilten. Aber sie waren meine Freunde und versuchten nur, hilfreich zu sein. Sie waren so real, daß ich riechen konnte, wie sie schwitzten. Sie konzentrierten sich und versuchten mich mit ESP zu erreichen. Aber ich blockte sie ab. Wenn man anfangt, Halluzinationen ernst zu nehmen, stecken sie einen nämlich in eine Zwangsjacke und holen einen ab. Solange man weiß, daß es nur um Einbildungen geht, ist man noch in Ordnung.
    Wir stiegen über die eingeschlagene Tür, gingen ein paar Treppenstufen hoch und fanden uns in einem verwüsteten Hinterhof wieder, der sich im Mittelpunkt der Ruinen befand. Es war sehr still. In der Ferne umkreisten Polizeihubschrauber die Häuserblocks und landeten brummend auf den Straßen.
    „Klar wolltest du das“, sagte Ahmed. „Du hast das Schicksal außer Kraft gesetzt. Ich hab’s doch gehört.“
    Ich schaute zum Mond hinauf. Er war hell und beschien die ganze Stadt, wie das böse Schicksal in meinem Traum. Aber es war nur der Mond, und die Stadt war ruhig. Ich hatte das Schicksal mit Argumenten vernichtet; mit einem guten, von hoher Intelligenz zeugenden Syllogismus. Ich machte plötzlich einen Luftsprung und knallte die Hacken zusammen. „Das habe ich auch. Das habe ich auch.“ Und da mir niemand zuhörte, schrie ich: „He, ich hab es getan! Ich habe das Schicksal abgeschafft!“ Ich landete wieder auf dem Boden und lauschte in die Stille hinein. Der Mond sah friedlich aus; von Unheil war an ihm nichts zu bemerken. Aber trotzdem war an dieser großen, dunklen Stadt und ihren seltsamen, riesigen Gebäuden etwas, das sich wie ein schlafender Tiger anfühlte. Das rote Licht am Himmel über New York ging an und aus, an und aus,

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