Der Esper und die Stadt
besticht, damit sie sich die Eier abschneiden lassen? Die sind doch ganz anders als du. Haben sie genug Mumm, um sich dagegen zu wehren? Sind sie es wert, daß du dir für sie per Gerichtsbeschluß eine Gehirnwäsche verpassen läßt? Ich nehme an, daß du was von Geschichte verstehst. Ich bin einer von den Burschen, die die Techniker sich gerne vom Halse schaffen würden. Aber irgendwie bist du doch selber so ’ne Art Techniker-Typ. Warum wirst du nicht wirklich einer und hörst auf, Schwierigkeiten zu machen?“
Am Ende des Zimmers blieb ich mit dem Gesicht zur Wand stehen, ballte die Fäuste und sagte: „Junge, weißt du überhaupt, was du für Schwierigkeiten hervorrufst?“
„Ich seh’s im Fernsehen“, sagte Larry.
„Das waren echte Menschen, die du umgebracht hast.“ Ich starrte immer noch die Wand an. „Heute nachmittag habe ich versucht, mit künstlicher Beatmung ein Mädchen zu retten. Es blutete aus den Augen.“ Ich würgte und wäre fast erstickt. Als ich weiterzusprechen versuchte, ballten sich meine Fäuste fester. „Man sagte mir, sie sei tot. Und dabei sah sie ganz in Ordnung aus. Bis auf die Augen. Ich glaube, ich versuchte ihr zu helfen, weil ich blöd bin und glaubte, sie wäre noch am Leben.“ Ihr helfen! Ja, indem ich Larry tötete. Wie durch einen roten Nebel sehend schaute ich mich in seinem Zimmer um und suchte nach einer Waffe.
Larry hob die Kanone wieder hoch, richtete sie auf mich und sprang hastig von seinem Bett. „Oho – die Vergangenheit ist wieder da! Es wird wohl Zeit, daß ich gehe!“ Er hielt die Kanone mit der einen Hand auf mich gerichtet, setzte sich mit der anderen eine dunkle Brille auf und hängte sich die Gasmaske um den Hals. „Rühr dich nicht, George, du möchtest doch sicher kein Loch im Kopf haben. Wenn du mich bekämpfst – für wen arbeitest du dann? Auf keinen Fall für Leute wie dich. Denk doch mal nach, Mensch.“ Er näherte sich rückwärts der Tür. Ich beobachtete ihn, sah ihm ins Gesicht. Ich stand geduckt da und war auf alles vorbereitet.
Larry zog sich in einen dunklen Gang zurück. „Komm mir nicht nach. Aber das willst du ja auch gar nicht. Dieser Kracher ist mit Infrasicht ausgerüstet und trifft auch im Dunkeln. Sobald du den Kopf aus der Tür steckst, schieße ich ihn dir vielleicht ab. Bleib noch zehn Minuten hier stehen und mach keinen Ärger. Meine Kanone schweigt, aber wenn ich dich erschießen muß, kriegst du nicht mal einen Orden dafür, daß du den Helden gespielt hast. Keiner würde es je erfahren.“
Der untersetzte Junge zog sich in den dunklen Korridor zurück und verschwand.
Ich stand noch immer geduckt da. Dann wurde es wieder klar um mich, und meine Hände entkrampften sich. Irgendwo am Ende des Korridors hörte ich, wie Larry über einen Besen stolperte. Es klapperte, dann fiel etwas um. Larry krachte gegen eine Mauer, dann verschwand er aus meiner Hörweite. Ich hätte ihm folgen können, aber dann fiel mir ein, daß ich ihn gemocht hatte. Die Sachen, die er dachte, hatten mir gefallen. Er dachte irgendwie mit einem warmen Leuchten, und wenn er redete, kam mir die Welt plötzlich viel klarer und leichter zu bewegen vor.
Ich hätte hinter dem Killer herlaufen sollen, aber ich stand einfach nur da …
„Ausgezeichnete Selbstkontrolle, George. Herzlichen Glückwunsch“, sagte Ahmeds Stimme gelassen von der Decke her. Er ließ sich durch ein großes Loch zu mir hinab, hing an seinen langen Armen und ließ sich dann katzenhaft und lautlos fallen. Er war groß und drahtig und überall schmutzig und mit Spinnweben bedeckt. Als er grinste, leuchteten seine Zähne hell in der Dunkelheit seines Gesichts. „Du hast gerade einen Orden verspielt“, sagte er, „und zwar den, der an tote Helden verliehen wird. Ich hatte schon gedacht, du würdest versuchen ihn umzubringen.“
Er betätigte den Rufer seines Armbandsenders, steckte sich einen Stöpsel ins Ohr und meldete sich. „Einer ist abgehauen. Er ist vom Zentrum aus durch einen Kellergang nach Westen unterwegs, trägt eine Gasmaske und eine Infrabrille. Er ist bewaffnet und gefährlich. Und er ist der Obermotz; also gebt euch Mühe, Jungs.“
Ich nahm auf dem Rand der Liege Platz und schwitzte. „Manchmal werde ich einfach zu wütend. Ich hätte beinahe versucht, ihn umzubringen. Dabei ist vielleicht richtig, was er sagte.“
Ahmed zog den Stöpsel aus seinem Ohr. „Ich habe hauptsächlich dir zugehört, alter Junge. Es war ’ne ziemlich interessante
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