Der Facebook-Killer
Tisch und eilte ihr nach. Er hatte ihren Treffpunkt geschickt gewählt: Um zum Abgang zur Metro zu gelangen, musste sie durch eine mit Unrat übersäte Gasse hinter dem Hardrock Café. Er vertraute darauf, dass dort um diese Uhrzeit kein Mensch mehr sein würde.
Er sollte recht behalten. Zoë Ionesco hatte die Ohrstöpsel ihres iPods in den Ohren und hörte seine rasch näherkommenden Schritte erst, als es zu spät war. Sie fuhr herum und wollte davonrennen, doch der Mann, den sie als Vince Vega kannte, schloss mit zwei, drei raumgreifenden Schritten zu ihr auf.
„Vince, was …“, bekam sie noch heraus, dann zuckte seine Hand aus der Jackentasche, packte ihren Hinterkopf und schmetterte Zoë Ionescos Schädel ein-, zwei-, dreimal brutal gegen die nächstgelegene Hauswand.
Die Exfreundin Commissaire Maxime Fronzacs verlor das Bewusstsein und sackte in Vince Vegas Arme.
17.2.2011, 21:24
Eine Villa im 16. Arrondissement
Paris
Während die Spurensicherer Danielle Kahns gesamtes Haus auf den Kopf stellten, alle denkbaren Flächen mit Fingerabdruckpulver bestäubten, alles Mögliche fotografierten, Proben von der kleinen Blutspur an der Frisierkommode nahmen und ansonsten als Großaufgebot eher ratlos herumstanden, hockte die Wölfin auf ihrem Lieblingssessel im Wohnzimmer und kaute Nägel.
Sie versuchte, sich so klein zu machen wie möglich, nicht aufzufallen und nicht im Weg, ja quasi gar nicht vorhanden zu sein. Sie hatte die Schuhe ausgezogen und grübelte. Auf dem Schoß hatte sie Danielles Laptop, auf dem nach wie vor die Facebook-Seite ihrer Freundin offen war
Sie hatte von der Zeile mit der vulgären Drohung Vegas hochgescrollt und den gesamten vorabendlichen Chat Danielles mit diesem Vince Vega nachgelesen. Diese hatte, obwohl sie den Mann eindeutig nicht persönlich kannte und auch noch nie getroffen hatte, einen merkwürdig intimen, augenzwinkernden, sehr vertrauten Sprachduktus in diesem Chat zugelassen. Irgendetwas an Vega musste eine Saite in Danielle zum Klingen gebracht, musste sie sehr fasziniert haben – und das, obwohl sie gerade dabei gewesen war, sich auf eine längerfristige Affäre mit Nicolas de Ségur, immerhin einem verheirateten Mann, einzulassen.
Was mochte das gewesen sein? Was war dran an diesem Vince?
Während sie darüber nachdachte, schoben sich an Danielles Pinnwand alle Einträge eine Position nach unten. Einer ihrer Facebook-Freunde hatte demnach etwas Neues gepostet.
Geza Wolf sah neugierig hin, was da auftauchte – und zuckte zurück:
VINCE VEGA:
DER PFAD DER GERECHTEN IST ZU BEIDEN SEITEN GESÄUMT MIT FREVELEIEN DER SELBSTSÜCHTIGEN UND DER TYRANNEI BÖSER MÄNNER. GESEGNET SEI DER, DER IM NAMEN DER BARMHERZIGKEIT UND DES GUTEN WILLENS DIE SCHWACHEN DURCH DAS TAL DER DUNKELHEIT GELEITET. DENN ER IST DER WAHRE HÜTER SEINES BRUDERS UND DER RETTER DER VERLORENEN KINDER. ICH WILL GROSSE RACHETATEN AN DENEN VOLLFÜHREN, DIE DA VERSUCHEN MEINE BRÜDER ZU VERGIFTEN UND ZU VERNICHTEN, UND MIT GRIMM WERDE ICH SIE STRAFEN, DASS SIE ERFAHREN SOLLEN: ICH SEI DER HERR, WENN ICH MEINE RACHE AN IHNEN VOLLSTRECKT HABE.
8
Augenzeugen
18.2.2011, 8:11
Eine unaufgeräumte Wohnung
2, Rue Diard, Paris
Marcel Rabelais saß auf seiner Couch, den Laptop vor sich, die rechte Hand an der Maus, und spielte Gems Swap II. Es war eines der zahllosen Browser Games, die Facebook ihm anbot, um die Zeit totzuschlagen. Er war von seiner Schicht heimgekommen und hatte keinen Schlaf gefunden. Die Flics hatten ihm keine Einzelheiten erzählt, aber die Tatsache, dass er offenbar einem Killer den Zugang zum Park ermöglicht hatte, der dann dort einen Mord begangen hatte, machte ihn fertig. Ihm ging nicht aus dem Kopf, dass er nach zwei Jahren bei der Bewachungsfirma auf einen falschen Polizisten hereingefallen sein sollte. Es ließ ihn keinen Schlaf finden. Rabelais drehte sich eine weitere Kippe und nahm einen erneuten tiefen Schluck aus der Wodka-Flasche, die vor ihm neben dem Laptop stand. Er schraubte sie der Einfachheit halber schon gar nicht mehr zu.
Der Mann, der Marcel Rabelais so großes Kopfzerbrechen bereitete, saß auf der anderen Straßenseite in seinem Geländewagen mit den stark getönten Scheiben und hatte ebenfalls einen Laptop auf dem Schoss, allerdings einen wesentlich neueren und leistungsfähigeren als der Wachmann. Er stand im absoluten Halteverbot direkt unter dem Verbotsschild, aber das scherte ihn nicht – wenn tatsächlich eine Politesse sich hier in dieser
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