Der Facebook-Killer
:-)
ZOË IONESCO
Mein erstes Jahr im Lycée. Ich war in einem Lycée, in dem ich niemanden kannte und musste dann das Jahr wiederholen …
VINCE VEGA
Ach, das kann doch vorkommen
ZOË IONESCO
Sollte aber nicht …
VINCE VEGA
Ich finde übrigens dein Profilfoto sehr cool. Super Ausstrahlung! Passt genau zu deiner Schreibe.
ZOË IONESCO
Danke schön. Deine Art zu schreiben ist aber auch nicht von schlechten Eltern.
VINCE VEGA
Sag mal, trauen sich Männer überhaupt mit dir zu flirten, wenn du abends weggehst?
ZOË IONESCO
Na ja, erstens gehe ich selten abends weg (keine Zeit) und zweitens sind die Männer schüchterner, als man denkt. Also alle außer dir natürlich
VINCE VEGA
Welches war denn bislang der blödeste Anmachspruch, den du gehört hast?
ZOË IONESCO
Alle Männer, die vorher etwas getrunken hatten, haben blöde Sprüche geliefert ;-)
VINCE VEGA
Noch mal wegen weggehen … ich kenne da in der Innenstadt ein kleines Restaurant, da machen sie super Steaks ..
ZOË IONESCO
Das ist nichts für mich – mich wirst du nie ein Steak essen sehen. Ich bin Vegetarierin.
VINCE VEGA
Dann würdest du auch keine echten Pelze tragen, weil du findest, Pelze gehören den Tieren?
ZOË IONESCO
Ich werde nie im Leben echte Pelze tragen. Eher laufe ich nackt durch die Straßen.
VINCE VEGA
Verlockende Vorstellung
ZOË IONESCO
Vince!!! ;-))
VINCE VEGA
Aber du isst schon genug? Du siehst auf dem Foto ziemlich dünn aus.
ZOË IONESCO
Ich bin ganz gesund und esse alles, was ich will. Am liebsten Pizza, Pasta oder ganz allgemein italienische Küche.
VINCE VEGA
Hast du dich denn schon mal mit jemandem aus dem Chat hier getroffen?
ZOË IONESCO
Ja mehrfach
VINCE VEGA
Und wie war’s?
ZOË IONESCO
Ausbaufähig
VINCE VEGA
Und welches war das schönste Kompliment, das du bisher dabei bekommen hast?
ZOË IONESCO
;-) Dass ich besser in natura aussehe als auf den Bildern.
VINCE VEGA
Das würd ich gerne überprüfen
Zoë zögerte einen Augenblick. Doch dann fasste sie sich ein Herz.
ZOË IONESCO
Dann lad mich doch auf einen Kaffee ein … oder einen Wein.
17.2.2011, 19:22
Hardrock Café
14, Boulevard Montmartre, Paris
Sie hatten sich auf ein Erkennungszeichen geeinigt, um jeden Zweifel auszuschließen: Vince würde im Hardrock Café am Boulevard Montmartre auf sie warten und ein Buch ihres Namensvetters, des französisch-rumänischen Königs des absurden Theaters, Eugene Ionesco. Tatsächlich saß an einem Tisch in einem dunklen Winkel ein Mann, der Ionescos
Les Rhinocéros
neben sich liegen hatte. Sein Haar war etwas zu lang für ihren Geschmack, er trug eine altmodische Hornbrille, Blue Jeans, Biker Boots, ein olivgrünes Longsleeve und eine abgewetzte schwarze Lederjacke. Als sie sich dem Tisch näherte, erhob er sich und deutete doch tatsächlich so etwas wie eine Verbeugung an.
Sie deutete auf das Buch. „Äh … Vince?“
„Ja, genau. Aber das … das ist natürlich nur mein Facebook-Name.“
„Klar.“ Sie kicherte. „Ich bin Zoë.“ Küsschen rechts, Küsschen links, Küsschen rechts.
„Wollen wir uns nicht setzen?“
„Doch, klar“, sagte sie.
„Was darf ich dir zu trinken bestellen?“
„Erst mal eine Cola, danke.“
Während er die Kellnerin herbeirief und die Bestellung aufgab, musterte sie ihn. Sein Alter im Facebook-Profil schien der Realität zu entsprechen, um die vierzig kam hin. Seine Bewegungen waren etwas linkisch, seine Sprechweise und sein Gehabe etwas altmodisch, aber insgesamt gefiel er Zoë.
Sie plauderten eine Weile, dann erlahmte der Gesprächsfluss. Er versuchte, die Situation zu retten, indem er nach der Karte griff und sagte: „Wollen wir mal schauen, was es hier so zu essen gibt? Du bist natürlich mein Gast.“
Plötzlich fühlte Zoë sich in dieser Situation, hier mit diesem Mann, in diesem möchtegern-coolen Café, unbehaglich. „Ich danke dir für die Einladung, aber ich habe ja geschrieben, ich muss morgen sehr früh raus. Ich würde lieber gehen.“
„Natürlich“, sagte er, doch die Enttäuschung war ihm an der Nasenspitze anzusehen.
„Wenn ich mich beeile, kriege ich noch meine Metro“, sagte sie.
„Alles klar, geh nur, ich kümmere mich um die Rechnung. Wir sehen uns online?“
„Na klar!“, versicherte sie hastig und verließ fast fluchtartig das Hardrock Café.
Er lachte tonlos, als die Tür hinter ihr zuschlug, und sah auf die Uhr. Als präzise eine Minute vergangen war, warf er achtlos ein paar Geldscheine auf den
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