Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Facebook-Killer

Der Facebook-Killer

Titel: Der Facebook-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hoffmann , Thommy Mardo
Vom Netzwerk:
in die Küche. Überall waren Scherben. Inmitten der Scherben lag seine Mutter. Sie schaute zur Decke, aber es sah nicht so aus, als könnten ihre Augen überhaupt noch etwas erkennen. Ihre Kittelschürze war zerrissen. Da war Blut in ihrem Gesicht, Blut an ihrem Kopf.
    Blut auch auf dem Küchenboden.
    Ihr einer Arm war in einer Bewegung erstarrt, die ein Menschenarm eigentlich nicht machen können sollte.
    Sie sagte kein Wort.
    Instinktiv wusste der Junge, seine Mutter würde nie mehr etwas sagen.
    Sein Vater stand mitten im Raum, schwer atmend, und die Vorderseite seines dreckigen Unterhemdes war getränkt von Schweiß und Blut.
    Langsam, ruckelnd wie in einem alten, verwackelten Dick- und-Doof-Film, drehte der Vater den Kopf zu ihm um.
    Stierte den Jungen an.
    Sagte lange nichts, glotzte nur.
    Dann:
    „Jetzt ist sie still.“
    Zögerlich nickte der Junge, war sich nicht sicher, was der Vater von ihm erwartete.
    „Die Hure. Die Dreckfotze.“
    Wieder Worte, von deren Bedeutung der Junge noch keine rechte Ahnung hatte. Aber er hatte Angst, mit einer Nachfrage oder gar Widerspruch den verrauchten Zorn des Vaters wieder zu wecken, also nickte er schüchtern.
    Sein Vater lächelte ein komisches Lächeln.
    „Jetzt wird alles gut“, sagte der klobige Mann. Setzte sich an den Küchentisch, den Blick stier auf die reglose Frau, seine Frau, gerichtet.
    Dann noch einmal, leiser, fast wie zu sich selbst, beinahe, als müsse er es sich selbst glauben machen: „Jetzt wird alles gut.“
    Der Vater begann zu trinken.

    Es wurde Nacht, und es wurde Tag. So ging es mehrmals.
    Der Vater saß und soff, schwitzte und stank. Der Junge sah keine Notwendigkeit, Pyjamahose und T-Shirt gegen etwas anderes zu tauschen. Manchmal, wenn der Vater am Küchentisch sitzend eingenickt war, schlich er in die Küche und stahl ein Stück Brot, tunkte es ins La-Bonne-Maman-Glas, verschlang es hastig. Ehe er sich wieder in seinem Zimmer verkroch, richtete er das umgefallene billige Wasserglas auf, das der Vater für seinen Schnaps verwendete. Es fiel jedes Mal beim Einnicken des Vaters um und rollte über den abgeschabten Holztisch.
    Irgendwann trank der Vater direkt aus der Flasche. Aus einer klaren Flasche mit wasserheller, scharf riechender Flüssigkeit wurden mehrere. Der Vater brütete nur noch dumpf vor sich hin, weder wach noch schlafend, in einem Dämmerzustand, blinzelte aus verquollenen Augen träge in die Welt.
    Seine Mutter lag und schwieg und begann, schlecht zu riechen, aber anders als sein Vater.
    Zeit verging, ohne dass der Junge hätte sagen können, wie viel.
    Er las immer wieder in der Bibel. Fand Trost in den uralten, ewiggleichen Worten.
    Anfangs klingelte noch manchmal das Telefon. Irgendwann tappte der Vater schwerfüßig in den Flur und riss unartikuliert fluchend das Kabel aus der Wand. So hörte auch das auf.
    Noch absoluter, die Stille.
    Ein paarmal kamen Männer in blauen Uniformen. Sie klingelten, und der Vater schrie herum, und sie gingen wieder. Der Geruch der Mutter wurde immer schlimmer, aber seinem Vater schien es nichts auszumachen.
    Der Junge sah Nachbarn ums Haus schleichen. Sah sie aufs Haus zeigen und miteinander reden.
    Dann kamen die Märchenkrieger. Auch sie klingelten, aber diesmal schrie der Vater nicht einmal. Er wurde ganz still. Sie klingelten noch einmal, und irgendwann rammten sie von außen etwas gegen die Tür, bis sie nachgab: große Männer in schwarzen Rüstungen mit feuerspeienden Waffen, dunklen Visieren vor den Helmen und Kästen am Gürtel, aus denen laute Stimmen krächzten.
    Einer der Märchenkrieger packte ihn, zog sein T-Shirt am Rücken hoch und sprach hektisch in ein Kästchen, das von seinem Helm baumelte.
    Der Junge strampelte, doch der Märchenkrieger ließ ihn nicht los.
    Dann Sonnenlicht; jemand strich eine kühlende Salbe auf seinen Rücken. Kälte breitete sich in ihm aus, der Schmerz, sein treuer Begleiter, huschte davon, und etwas in ihm erfror.
    Der Märchenkrieger, der ihn ins Freie gebracht hatte, trug ihn zu einer großen Kutsche. Vorne stand „Police“ drauf, spiegelverkehrt. Dann war Hektik hinter ihnen, und der Junge sah den menschenfressenden Riesen, der sein Vater war, ins Freie rennen, gefolgt von einigen der Schwarzen Ritter. Der Vater hatte ein langes Tranchiermesser in der Hand. Er brüllte. Er stürzte sich auf einen der Ritter.
    Einer der anderen Männer in den schwarzen Rüstungen hob seine Waffe. Keine feuerspeiende Lanze. Zu klein dafür. Eine … Pistole.

Weitere Kostenlose Bücher