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Der Facebook-Killer

Der Facebook-Killer

Titel: Der Facebook-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hoffmann , Thommy Mardo
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Nachrichtensperre verhängt. Hatte einer der Flics ein paar Euros extra gebraucht und TF 1 einen Tipp gegeben? Von der DSCS war es jedenfalls mit Sicherheit niemand gewesen … Claire Chazals nächster Satz unterbrach ihren Gedankengang und ließ sie vor Verblüffung die Augen aufreißen:
    „Bei uns im Studio ist heute Abend Commissaire Maxime Fronzac von der DSCS. Die DSCS ist eine Sonderkommission der Pariser Kriminalpolizei zur Verfolgung von Serienstraftätern. Commissaire Fronzac ist hier, um unseren Zuschauerinnen und Zuschauern ganz genau auseinanderzusetzen, was das für ein Mensch ist, den die DSCS da jagt und der die unbescholtenen Bürgerinnen und Bürger von Paris seit Tagen nicht mehr ruhig schlafen lässt.“
    Die Pekingsuppe und das knusprig gebratene Entenfleisch mit Sezuan-Pfeffersoße waren vergessen.
    Die Kamera fuhr zurück, und Mafro kam ins Bild. Entspannt saß er neben Claire Chazal und spielte mit einem Füllfederhalter. Er trug einen dunklen, dreiteiligen Anzug und wirkte mit seinen kurz gestutzten Locken und den ersten grauen Strähnen regelrecht distinguiert. Eine Vierteldrehung des Kopfes, und er schenkte der Kamera, die genau im richtigen Moment auf ihn einzoomte, ein grimmiges, aber entschlossenes Lächeln.
    „Commissaire Fronzac …”, Claire Chazal wandte sich ihrem Gesprächspartner zu und zeigte damit der Kamera das markante Profil, das für ganz Frankreich seit über 20 Jahren mit seriösem Abendnachrichten-Journalismus gleichbedeutend war. Chazal, die mittlerweile auch in einigen Kinofilmen mitgewirkt hatte, wusste zweifelsohne sehr genau, wie man sich in Szene setzte.
    „Berufskrankheit“, murmelte Nadine Eude vor sich hin und sank in ihren Ledersessel. Das Interview nahm seinen Lauf:
    „Commissaire Fronzac, beantworten Sie unseren Zuschauern doch bitte gleich zu Anfang unseres Gesprächs die Frage, die uns allen am meisten unter den Nägeln brennt: Muss die Stadt Angst haben? Ist ein berechnender Massenmörder unter uns, der uns alle bereits durch das Zielfernrohr seiner Waffe beobachtet?”
    Nadine Eude war hochgradig irritiert. So kannte sie Claire Chazal überhaupt nicht. Was hatte sie vor? Wollte sie ein paar alten Damen, die unerschütterliche Anhängerinnen der öffentlich-rechtlichen Nachrichten waren, einen unzeitigen Herzinfarkt bescheren? Oder hatte ihr Intendant ihr eine sprachliche Frischzellenkur verordnet, damit das
Journal de 20 heures
vom Duktus her mit den zugleich reißerischen und extra leicht verdaulichen sogenannten Nachrichtensendungen auf Canal Plus und Konsorten mithalten und die sinkenden Einschaltquoten herumreißen konnte?
    Mafros Gesicht war jetzt Seriosität pur. „Von einem berechnenden Massenmörder kann überhaupt keine Rede sein, Madame Chazal. Ja, es lässt sich nicht leugnen, in Paris treibt ein mehrfacher Frauenmörder sein Unwesen. Aber es handelt sich um ein sehr krankes, im Grunde bedauernswertes Individuum, das in heilloser Selbstüberschätzung und absurden, lächerlichen Allmachtsphantasien jeglichen Kontakt zur Realität verloren hat.”
    Nadine Eude blieb der Mund offen stehen, als sie das hörte. Aber Mafro war gerade erst so richtig in Schwung gekommen und fuhr fort:
    „Der Mann leidet unter schweren psychischen Störungen. Die zusammengeschmierten Psychogramme der Tagespresse, die diesen sogenannten ‚Facebook-Killer‘ wie die französische Antwort auf Hannibal Lecter wirken lassen, zeichnen sich vor allem durch zwei Dinge aus: durch mangelnde Kenntnisse und Sensationsgeilheit, wenn Sie den derben Ausdruck verzeihen. Nichts könnte falscher sein, als dieses arme, triebgesteuerte Würstchen, das da draußen irgendwo in seinem Loch hockt, als ein Genie des Verbrechens zu bezeichnen, wie es eine große Tageszeitung unserer Stadt – ich werde hier keine Namen nennen – gestern auf der Titelseite getan hat. Nein, was dieser Mann braucht, sind nicht reißerische Sonderreportagen, sondern in erster Linie professionelle Hilfe. Derzeit arbeiten unsere Computerfachleute unter Hochdruck an einem Phantombild des Mannes, und wenn wir ihn schnappen …“
    Nadine Eude war fassungslos über Mafros Schwadronieren. Mit fahrigen Fingern griff sie nach dem Glas Pinot Blanc, das vor ihr auf dem Couchtisch stand. Doch der Commissaire setzte noch einen drauf. Er hatte sein grimmig-entschlossenes, maskulines Lächeln von zuvor wieder aufgesetzt und verstieg sich zu der Aussage:
    „… wenn wir ihn schnappen, werden wir dafür sorgen, dass er

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