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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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flüstert Stave und legt seinen Arm um Anna. »Einem James MacDonald wird nie etwas geschehen.« Es klingt, als wollte er sich selbst von etwas überzeugen, an das er nicht ganz glaubt.
    Anna hat sich bei ihm untergehakt, als sie von den Landungsbrücken aus langsam die Anhöhe erklimmen, auf deren Scheitel der Michel thront. Stave geht schneller, als sie die Trümmer passieren, in denen er vor einigen Monaten niedergeschossen worden ist. Anna weiß davon noch nichts – auch wenn sie längst die Narbe auf seiner Brust gesehen hat. Sie wartet, dass ich ihr davon erzähle, erkennt er. Und das werde ich auch.
    »Heute Abend kommt Karl vorbei«, beginnt er vorsichtig.
    »Ein Essen zu dritt?« Heitere Worte. Doch er spürt die Spannung, die in ihnen mitschwingt.
    »Wir haben viel zu bereden. Über seine Zukunft. Er studiert, wusstest du das? Und über unsere Zukunft. Wir heiraten, wusstest du das?«
    Da küsst sie ihn und lacht. »Ich hätte es schon beinahe wieder vergessen.«
    Hinter der Kirche wenden sie sich in Richtung Alster. Stave blickt einem Lastwagen nach, der an ihnen vorbeiröhrt, beladen mit Sand und Balken. »Du wirst nicht ewig in den Ruinen nach Schätzen suchen können«, stellt er fest. »Bald werden überall Bauarbeiter aufräumen. Irgendwann wird dich jemand erwischen.«
    »Ich weiß. Außerdem wäre es für die zukünftige Gattin eines Oberinspektors wohl passend, wenn sie ihr Gewerbe legalisiert.«
    »Das klingt, als wärest du ein käufliches Mädchen. So schlimm ist es nicht.«
    »Ich werde ein Geschäft aufmachen«, verkündet Anna. »Antiquitäten. Ich werde den Handel unter meinem Mädchennamen führen, wenn du nichts dagegen hast. Alter Adel, gediegene Waren, das passt zusammen – und zu irgendetwas muss meine ostpreußische Vergangenheit doch gut sein. Ich suche nur noch nach einem Laden. In Alsternähe wäre perfekt. Am Jungfernstieg flanieren die richtigen Kunden.«
    Er blickt sie zweifelnd an. »Bist du sicher, dass du genügend Leute finden wirst, die sich in den Laden verirren?«
    »Geld ist genug da. Es hat sich nur lange versteckt. Mit der neuen Mark kriecht es wieder hervor und will ausgegeben werden.«
    »Aber will es für alte Dinge ausgegeben werden? Neu, neu, neu – das ist es, was ich überall höre. Neue Schuhe. Neue Mäntel. Neue Töpfe. Sogar neue Autos. Da bleibt nicht viel für alte Schätze übrig.«
    Sie schenkt ihm wieder ein Lächeln. »Du wärest überrascht zu sehen, wie viel Geld in Hamburg schon wieder ausgegeben werden will.«
    »Ich sollte mich schlaumachen«, erwidert er verlegen. »Ich will ja schließlich im Metier bleiben.«
    »Du willst nicht zurück zur Mordkommission?« Annas Stimme ist um eine Spur höher geworden – so, als ob sie nur mühsam einen Jubelruf unterdrückt hätte.
    »Wirtschaftsdelikte sind das Verbrechen der Zukunft. Könnte nicht schaden, sich von Anfang an damit zu befassen.«
    »Frank Stave, habe ich dir eigentlich schon einmal gesagt, dass ich dich liebe?«
    »Du darfst es gerne wiederholen.«
    Erst am Jungfernstieg trennen sie sich. Anna will sich Läden ansehen, die zur Vermietung stehen.
    »Wir haben eine Verabredung zum Abendessen«, erinnert Stave sie.
    »Was wirst du den Nachmittag tun? Gehst du zur Kripo-Zentrale?«
    »Später. Vorher will ich mich noch an einem Tatort umsehen.«
    »Ein neuer Fall?«
    »Im Gegenteil: die alte Sache mit dem Bronzekopf. Ich werde sie wohl oder übel zu den Akten legen. Aber ich muss mich einfach vorher noch einmal am Ort des Geschehens umschauen. Als eine Art Abschiedsbesuch.«
    »Dauert es lange?«
    »Nur ein paar hundert Meter Fußweg. Ein zerstörtes Kontorhaus, um das sich niemand mehr kümmert. Ein Oberinspektor, der sich dort noch einmal umsieht, obwohl es nichts mehr zu entdecken gibt. In einer Stunde bin ich spätestens in der Zentrale.«
    Der Reimershof. Stave hat das Rathaus passiert und das zerschmetterte Kirchenschiff von St.   Nikolai durchquert. Von der Reimersbrücke aus blickt er auf die Ruine des Kontorhauses: acht Reihen leerer Fensteröffnungen, kein Glas, nicht einmal das Holz der Rahmen ist noch da. Keine Decken, kein Dach. Nieselregen, die brandvernarbten Außenmauern vollgesogen mit Feuchtigkeit. Das schlammige Wasser des Nikolaifleets schwappt träge gegen angefaulte hölzerne Stützpfeiler am Ufer. Früher Nachmittag im Hochsommer, aber es wird nicht einmal richtig hell. Niemand zu sehen. Selbst die Trümmerfrauen sind verschwunden – entweder haben sie den Reimershof

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