Der Faenger im Roggen - V3
sie einen von diesen blöden Schaumgummibusen, die so spitz hervorstehen. Aber
sie tat einem irgendwie leid.
Es gefiel mir vor allem, daß sie einem kein Süßholz herunter raspelte, was für ein Prachtmensch
doch ihr Vater sei.
Vermutlich wußte sie, daß er ein verlogener Esel ist.
Ich stand dort oben auf dem Thomsen Hill anstatt unten auf dem Fußballplatz, weil ich gerade
erst mit der Fechtmannschaft aus New York zurückgekommen war. Ich war nämlich der verdammte
Kapitän dieser Fechtmannschaft. Ungeheure Ehre.
Wir waren am Morgen nach New York gefahren, um gegen die McBurney-Schule zu fechten. Nur fand
der Wettkampf dann nicht statt, weil ich sämtliche Floretts und die ganze Ausrüstung in der
doofen Untergrundbahn liegen ließ. Es war nicht nur meine Schuld, denn ich mußte die ganze Zeit
aufstehen und auf dem Plan nachsehen, wo wir aussteigen müßten. Daher kamen wir nicht erst
abends nach Pencey zurück, sondern schon um halb drei. Die ganze Mannschaft strafte mich auf
der Rückfahrt mit Schweigen. Eigentlich war es ziemlich komisch. Der zweite Grund, warum ich
nicht unten am Fußballplatz stand, war, daß ich mich noch vom alten Spencer, dem
Geschichtslehrer, verabschieden wollte. Er hatte Grippe, und ich dachte, ich würde ihn vor den
Weihnachtsferien wohl nicht mehr sehen. Er hatte mir geschrieben, daß er noch mit mir sprechen
wollte, bevor ich heimführe. Er wußte, ich würde nicht mehr nach Pencey zurückkommen, ich
vergaß noch zu erzählen, daß ich geschaßt worden war. Nach den Weihnachtsferien sollte ich
nicht mehr erscheinen, wegen ungenügender Leistung in vier Fächern und mangelhaftem Fleiß und
so weiter. Man hatte mich ein paarmal verwarnt, um mich auf Trab zu bringen - besonders um die
Quartalsmitte, als meine Eltern zu einer Besprechung mit dem alten Thurmer kamen -, aber ich
gab mir trotzdem keine Mühe.
Daraufhin flog ich eben. In Pencey fliegen ziemlich viele Schüler. Dafür hat Pencey einen guten
Ruf als Schule, das muß man sagen.
Also, es war Dezember und höllisch kalt, ganz besonders dort oben auf dem blöden Hügel. Ich
hatte nur meinen Regenmantel an und keine Handschuhe. Vor ein paar Wochen hatte mir jemand
meinen Kamelhaarmantel aus meinem Zimmer gestohlen, samt den pelzgefütterten Handschuhen, die
noch in der Tasche steckten. Pencey war voller Gauner. Viele Schüler stammten aus sehr
wohlhabenden Familien, aber trotzdem war es voller Gauner. Je teurer eine Schule ist, um so
mehr Gauner gibt es dort - ganz im Ernst. Kurzum, ich stand neben der blöden Kanone, schaute
auf den Fußballplatz hinunter und fror mir fast den Arsch ab. Allerdings folgte ich dem Spiel
nicht besonders aufmerksam. Eigentlich trieb ich mich nur dort herum, weil ich eine Art
Abschiedsstimmung fühlen wollte. Ich habe manchmal eine Schule oder irgendeinen Ort verlassen
und dabei nicht einmal gewußt, daß es ein Abschied war. Später hat mich das geärgert. Es ist
mir gleichgültig, ob es ein trauriger oder ein unerfreulicher Abschied ist, aber wenn ich
irgendwo weggehe, will ich wenigstens wissen, daß ich jetzt weggehe, sonst ist es viel
schlimmer.
Glücklicherweise fiel mir plötzlich etwas ein, das mir den Abschied richtig bewußt machte. Ich
erinnerte mich daran, daß ich im Oktober mit Robert Tichener und Paul Campbell vor dem
Schulgebäude mit einem Fußball gespielt hatte. Sie waren beide nette Burschen, besonders
Tichener. Es war kurz vor dem Abendessen und schon ziemlich dunkel, aber wir spielten immer
weiter. Es wurde dunkler und dunkler, und wir konnten den Ball schon kaum mehr sehen, aber
aufhören wollten wir doch nicht.
Schließlich mußten wir aufhören. Der Biologielehrer, Mr. Zambesi, streckte den Kopf aus einem
Fenster und rief, wir sollten in unsere Zimmer verschwinden und uns zum Essen herrichten. Wenn
ich mich an solches Zeug erinnere, kann ich mich über den Abschied freuen - meistens
jedenfalls. Sobald ich das erreicht hatte, drehte ich mich um und rannte den Hügel hinunter, in
der Richtung auf Spencers Haus zu. Er wohnte nicht auf dem Schulgelände, sondern an der Anthony
Wayne Avenue.
Ich rannte die ganze Strecke bis zum Haupttor, dann wartete ich eine Sekunde, um Atem zu
holen.
Ich bin ziemlich kurzatmig, falls das jemand interessiert.
Erstens bin ich ein starker Raucher - das heißt, früher war ich einer. Jetzt haben sie es mir
verboten. Zweitens bin ich im letzten Jahr sechzehn Zentimeter gewachsen. Deshalb bekam ich
auch
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