Der Falke des Nordens
Auseinandersetzungen mit der marokkanischen Regierung vermeiden.” Seufzend ließ Sam sich in die Kissen zurückfallen. “Und damit wären wir wieder beim Ausgangspunkt und bei diesem Dummkopf Ellington. Wenn ich wenigstens lange genug aufbleiben könnte, um das Dinner durchzustehen …”
“In New York klang es so, als würdest du dich nur pro forma mit Khalil zum Essen treffen.”
“Ja, das stimmt auch. Ich meine, so war es vorgesehen – wenn mir nur der Rücken nicht so schrecklich wehtun würde!” Sam verzog das Gesicht. “Ich hätte Khalil schon dahin gebracht, wo ich ihn haben will – und nun hat Ellington die sowieso schon schwierige Situation vollends verschlimmert.”
“Ellington tut immer nur das, was du ihm aufträgst.”
“Du hast mal wieder recht, er hat sich genau an meine Anweisungen gehalten.” Sam blickte sie durchdringend an. “Wenn er seinen Job behalten will, dann tut er auch gut daran!”
“Das machen sowieso alle deine Mitarbeiter”, sagte Joanna sanft. “Auch dann, wenn deine Anordnungen unsinnig sind.”
“Jetzt halt aber mal die Luft an, Joanna! Was soll das überhaupt heißen? Ich habe Ellington befohlen, dem Prinzen mitzuteilen, mir sei etwas dazwischengekommen.”
“Damit hast du ihn beleidigt, denn für diesen Mann mit seinem übersteigerten Selbstwertgefühl wäre das Abendessen mit dir, Sam Bennett, dem Präsidenten der Bennettco, etwas ganz Besonderes gewesen. Doch stattdessen erfährt er telefonisch, dass man ihn mit einem kleinen Handlanger abspeisen will.”
“Red doch nicht so ein dummes Zeug! Ellington ist Direktionsassistent.”
“Das ist nur ein bedeutungsloser Titel.” Joanna setzte sich auf die Bettkante. “Und das hat dieser Prinz genau erkannt.”
“Ich weiß ja, dass wir in Schwierigkeiten stecken, Jo! Ich suche verzweifelt nach einem Ausweg!”
“Nimm es nicht zu schwer, Dad. Der Arzt hat dir erklärt, wie schädlich Stress für deinen Rücken ist.”
“Verdammt, Mädchen, das brauchst du nicht noch zu betonen! Es steht viel auf dem Spiel – oder hast du das etwa deshalb nicht bemerkt, weil du zu beschäftigt damit warst, mich zu pflegen?”
“Nenn mich nicht Mädchen.” Joanna blickte ihn kühl an und stand dann auf. “Ich bin deine Tochter, und wenn du dich nicht so beharrlich weigern würdest, mich über Firmeninterna zu informieren, brauchte ich dir jetzt keine Fragen zu stellen, sondern könnte dir Vorschläge machen, wie du aus der Klemme herauskommst.”
“Hör zu, Jo, du bist zwar Diplombetriebswirtin, doch hier sind wir mitten in der knallharten Geschäftswelt und nicht in einem Hörsaal der Universität. Ellington hat uns im Stich gelassen. Er …”
“Du hättest ihn bitten müssen, Khalil mitzuteilen, dass du wieder unter deinen Rückenschmerzen leidest.”
“Wieso? Es geht niemanden etwas an, dass ich hier wie ein Riesenbaby herumliege und von dir und dem Hotelarzt verrückt gemacht werde.”
“Krankheit ist kein Zeichen von Schwäche, egal, wie du die Sache siehst. Hättet ihr die Wahrheit gesagt, wäre Khalil jetzt nicht beleidigt. Wahrscheinlich hätte er deine Absage sogar verstanden”, meinte Joanna kühl.
Sam starrte sie sekundenlang an, dann zuckte er die Schultern. “Vielleicht.”
“Was wolltest du denn heute Abend erreichen?”
“Vor allem wollte ich ihn einmal selbst in Augenschein nehmen, um mir ein eigenes Urteil zu bilden. Außerdem ist er sicher empfänglich für Schmiergeldzahlungen, auch wenn er im Augenblick noch gegen unsere Zusammenarbeit mit Abu opponiert.”
“Mit anderen Worten, Bennettco will ihn bestechen, nicht wahr?”, erkundigte Joanna sich stirnrunzelnd.
“Bakschisch nennt man das hier. Du brauchst mich gar nicht so vorwurfsvoll anzuschauen. Das ist heutzutage so üblich. Man muss nur diskret genug vorgehen dabei.” Sam seufzte tief. “So hatte ich es jedenfalls geplant – bis Ellington mir alles verpfuscht hat.”
“Weißt du, was genau er zu Khalil gesagt hat?”
Sam schüttelte den Kopf. “Ellington hat gar nicht mit ihm persönlich gesprochen, sondern mit Hassan, einem Mitarbeiter und engem Vertrauten des Prinzen und …”
“Ein schwerer Fehler”, unterbrach Joanna ihn selbstbewusst. “Er hätte darauf bestehen müssen, selbst mit dem Prinzen zu reden.”
“Er hat es versucht, aber Hassan hat ihm erklärt, dass Khalil nicht mit Untergeordneten spricht. Untergeordnete – kannst du dir das vorstellen?” Sam lachte belustigt. “Gern hätte ich Ellingtons
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