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Der Falke des Nordens

Der Falke des Nordens

Titel: Der Falke des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Marton
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auflegte. “Ich traue Bennetts Beweggründen nicht, mein Herr. Aber warten wir es ab. Ich werde mich heute Abend mit dem Bruder der Frau treffen.”
    Khalil nickte zustimmend. “Gut.” Dann drehte er sich um, ging langsam durchs Zimmer und blickte nachdenklich zum Fenster hinaus, so als könnte er weit hinten am Horizont, jenseits der Stadt, die Hügel erkennen, die die Grenzen seines Königreichs bildeten. “Sam Bennett ist ein hinterhältiger, unberechenbarer Gegner, ich muss darauf gefasst sein, dass sein Sohn ihm sehr ähnlich ist. Hassan wird ihm nicht gewachsen sein, er ist zwar loyal und klug, aber nicht mehr der Jüngste. Wie kann ich es verantworten, diesen alten Mann zum Dinner mit Bennett zu schicken?” Alles das ging Khalil durch den Kopf, denn während der vergangenen Wochen hatte er eines gelernt: einem Bennett zu vertrauen war genauso dumm, wie einem Fuchs die Aufsicht über den Hühnerstall zu übertragen.
    Khalil drehte sich unvermittelt um. “Hassan!”
    “Ja, mein Herr?”
    “Ich will mich selbst mit Sam Bennetts Sohn unterhalten.”
    “Sie, Sir? Aber …”, begann Hassan irritiert.
    “Es gibt kein Aber, Hassan”, unterbrach Khalil ihn scharf. “Lassen Sie uns Kaffee kommen, und dann mache ich mich fertig.” Dabei lächelte er so angespannt, dass die, die ihn kannten, wussten, es verhieß nichts Gutes. “Ich verspreche Ihnen, auf die eine oder andere Weise wird der heutige Abend alles verändern.”
    Dasselbe dachte auch Joanna, während sie neben ihrem Vater saß und nur mit halbem Ohr hinhörte, als er mit ihr das bevorstehende Treffen mit Khalil besprach. Im Innersten spürte sie, dass ihr Leben sich nach diesem Abend dramatisch verändern würde.
    Und erst viel später erinnerte sie sich daran, wie richtig ihre Vorahnungen gewesen waren.

2. KAPITEL
    “Was ziehe ich nur an zum Abendessen mit dem Falken des Nordens oder besser, mit seinem Minister?”, überlegte Joanna, während sie ihre Garderobe in Augenschein nahm. Wozu brauchte ein Herrscher wie Khalil überhaupt Minister? Trotz der nur kurzen Unterhaltung glaubte sie, sich ein Bild von Hassan machen zu können. Sie stellte sich ihn groß, ungelenk und uralt vor. In seinen blassen, wässrigen Augen würde es verächtlich aufblitzen, sobald ihm klar wurde, dass sein Gesprächspartner eine Frau war, denn in der Welt, in der er lebte, gab es keine Gleichberechtigung.
    Pünktlich um acht Uhr stieg Joanna aus dem Taxi. Ein perfektes Timing! Rasch vergewisserte sie sich, dass die beiden perlenbesetzten Glitzerkämmchen richtig saßen, mit denen sie das volle, glänzende kastanienbraune Haar zurückgesteckt hatte. Dann strich sie den kurzen Rock des grünen Seidenkleids glatt. Sie hatte es dem eleganten Hosenanzug vorgezogen, der sie ihrer Meinung nach zu streng hätte aussehen lassen.
    Der Portier beobachtete sie aufmerksam. Deshalb atmete sie schließlich tief ein, hob das Kinn und ging entschlossen auf ihn zu. Sie war ein bisschen nervös, unter diesen Umständen durchaus verständlich. Alles, was sie sich wünschte – die Anerkennung ihres Vaters und den Posten als Vizepräsidentin bei Bennettco – hing vom Gelingen ihrer Verhandlungen mit Hassan ab.
    “Masa el-kheyr, Madam.”
    Joanna nickte kurz. “Guten Abend”, erwiderte sie den Gruß und ging durch die Tür.
    Sogleich hatte sie das Gefühl, in eine ganz andere Welt eingedrungen zu sein. Die indirekte Beleuchtung und die auf den Tischen flackernden Kerzen verliehen der Atmosphäre etwas Geheimnisvolles. Im Hintergrund erklang Musik, Flöten und Glockenspiele ertönten, die sich anhörten wie ein Windhauch, der durch die Blätter ging.
    “Masa el-kheyr,
Madam. Werden Sie erwartet?”, erkundigte sich der Ober freundlich lächelnd.
    “Ja”, antwortete sie höflich. “Mein Name ist Bennett. Ich habe einen Tisch reservieren lassen.”
    War es nur Einbildung, dass der Mann die Augenbrauen leicht hochzog? Er lächelte sogleich wieder, neigte den Kopf und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Dann ging er auf einen gewölbten Durchgang mit einem Perlenvorhang zu, der kaum merklich hin und her schwang. Mit einer kaum wahrnehmbaren Verbeugung zog er ihn zur Seite.
    “Bei der Reservierung wurde ausdrücklich um einen möglichst diskreten Platz gebeten”, meinte er erklären zu müssen.
    Joanna nickte zustimmend. Dann brauchten sie und Hassan sich wenigstens nicht um …
    In diesem Augenblick bemerkte sie den Mann am Tisch. Er stand jetzt auf, war etwa dreißig bis fünfunddreißig

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