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Der Fall Charles Dexter Ward

Titel: Der Fall Charles Dexter Ward Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Küste ein namenloses Grauen, das ihnen beinahe für immer die Lippen verschloß. Ganz spärlich nur waren die Gerüchte, die jemals von einem dieser Männer in Umlauf gesetzt wurden, und Eleazar Smith's Tagebuch ist der einzige erhaltene schriftliche Bericht über die Expedition, die beim Goldenen Löwen unter den Sternen aufgebrochen war.
    Charles Ward entdeckte jedoch noch einen anderen verschwommenen Hinweis in einigen Briefen der Fenners, die er in New London fand, wo, wie er wußte, eine andere Seitenlinie der Familie gelebt hatte. Es scheint, daß die Fenners, von deren Haus aus man den verfluchten Bauernhof in der Ferne sehen konnte, die heimkehrenden Kolonnen der Rächer gesehen und sehr deutlich das wütende Bellen von Curwens Hunden und danach den ersten schrillen Pfiff gehört hatten, der die Attacke einleitete. Diesem ersten Pfiff war abermals eine hohe Lichtsäule aus dem Steingebäude gefolgt, und einen Moment später, nach dem kurzen Aufschrillen des zweiten, zum allgemeinen Angriff rufenden Signals, hatte man gedämpftes Musketengeknatter und gleich darauf einen furchtbaren, dröhnenden Schrei gehört, den der Brief Schreiber, Luke Fenner, mit den Buchstaben »Waaaahrrrr-Ruaaahrrr« wiedergegeben hatte. Dieser Schrei war jedoch von einer Art gewesen, wie man sie niemals schriftlich schildern könnte, und der Briefschreiber erwähnt, seine Mutter sei bei diesem Geräusch in eine tiefe Ohnmacht gefallen. Später ließ er sich noch einmal weniger laut vernehmen, und dann folgten weitere, aber diesmal stärker gedämpfte Geräusche von abgefeuerten Musketen sowie eine laute Pulverexplosion vom Fluß her. Etwa eine Stunde später begannen alle Hunde wie rasend zu bellen, und die Erde zitterte so stark, daß die Kerzen auf dem Kaminsims umfielen. Starker Schwefelgeruch machte sich bemerkbar, und Luke Fenners Vater behauptete, er habe das dritte Signal, also das Notsignal, gehört, wogegen die anderen nichts davon gemerkt hatten. Wieder ertönten gedämpfte Schüsse, und dann ein tiefer Schrei, der weniger durchdringend, aber sogar noch schrecklicher war als die vorausgegangenen; es war eine Art kehliges, widerliches weiches Husten oder Gurgeln, das sich mehr wegen seiner Dauer als seines tatsächlichen akustischen Werts wie ein Schrei anhörte.
    Dann flammte die Lichterscheinung wieder auf, an der Stelle, wo Curwens Hof liegen mußte, und Schreie verzweifelter, entsetzter Männer ließen sich vernehmen. Mündungsfeuer blitzten auf, Musketen krachten, und dann fiel die Flammensäule in sich zusammen. Ein zweites flammendes Ding erschien, und deutlich war ein kreischender Schrei eines Menschen zu hören. Fenner schrieb, er habe sogar ein paar der wie rasend hervorgestoßenen Worte verstehen können: »Allmächtiger, beschütze dein Lamm!« Dann ertönten weitere Schüsse, und das zweite Flammending fiel zusammen. Danach war es ungefähr drei viertel Stunden lang still, bis der kleine Arthur Fenner, Lukes Bruder, ausrief, er habe gesehen, wie ein »roter Nebel« von dem fluchbeladenen Hof in der Ferne zu den Sternen aufgestiegen sei. Niemand außer dem Kind konnte dies bezeugen, doch Luke erwähnt immerhin, daß seltsamerweise genau in demselben Moment die drei Katzen, die im Zimmer waren, in panischer, beinahe konvulsivischer Furcht einen Buckel machten und ihr Fell sich sträubte.
    Fünf Minuten später kam ein eisiger Wind auf, und die Luft füllte sich mit einem so entsetzlichen Gestank, daß nur der frische Seewind verhindert haben kann, daß ihn auch die Leute an der Küste oder die wachenden Bewohner des Dorfes Pawtuxet wahrnahmen. Dieser Gestank war etwas, das die Fenners nie zuvor erlebt hatten, und er erzeugte eine würgende, namenlose Angst, schlimmer als die vor dem Grab oder dem Leichenhaus. Gleich danach kam jene schreckliche Stimme, die keiner der unglücklichen Ohrenzeugen zeit seines Lebens vergessen konnte. Donnernd erdröhnte sie vom Himmel herab wie ein Fluch, und die Fensterscheiben klirrten, als sie in der Ferne verhallte. Sie war tief und melodiös, kräftig wie das Baßregister der Orgel, aber böse wie die verbotenen Bücher der Araber. Was sie sagte, konnte niemand erklären, denn sie sprach in einer unbekannten Sprache, doch dies sind die Buchstaben, die Luke Fenner zu Papier brachte, um die dämonischen Laute zu beschreiben:
    »DEESMEES - JESHET - BONEDOSEFEDUVEMA -ENTTEMOSS.« Bis zum Jahre 1919 brachte keine Menschenseele diese unbeholfene Lautschrift irgendwie mit dem Wissen der

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