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Der Fall Charles Dexter Ward

Titel: Der Fall Charles Dexter Ward Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Ein weiterer Brief, der keinen Absender trug, kam aus Philadelphia und stimmte die Männer genauso nachdenklich, insbesondere wegen der folgenden Passage:
    »Ich werde befolgen, was Ihr saget in Bezug darauf, daß ich die Rechnungen nur mit Euren Schiffen schicken solle, indessen kan ich nicht stets sicher seyn, wann ich sie erwarten soll. Bey der in Rede stehenden Sache benötige ich nur noch einen Gegenstand; allein ich möchte sicher seyn. Euch genau zu verstehen. Ihr informiret mich, daß kein Theil fehlen dürfe, wenn die feinsten Effecte erzielt werden sollen, allein Ihr habet sicherlich gemerckt, wie schwierig es sey, sicher zu seyn. Es scheinet eine groß Gefahr und Bürde, die gantze Schachtel wegzunehmen, und in der Stadt (d.i. St. Peter, St. Paul, St. Mary oder Christ Church) lässet es sich kaum vollbringen. Allein ich weiß, welche Mängel jener hatte, welcher im October letzten Jahres erwecket wurde, und wie viele lebende Exemplare Ihr einsetzen mußtet, bevor Ihr anno 1766 die richtige Art und Weise fandet; so werde ich mich in allen Dingen von Euch leiten lassen. Ich harre ungeduldig Eurer Brigg und erkundige mich täglich an Mr. Briddles Kai.«
    Ein dritter verdächtiger Brief war in einer unbekannten Sprache und sogar einem unbekannten Alphabet abgefaßt. In Smith' Tagebuch, das Charles Ward fand, war nur eine einzige, oft wiederholte Kombination von Schriftzeichen mit ungelenker Hand kopiert; und Gelehrte der Brown-Universität haben erklärt, es handle sich um das amharische oder abessinische Alphabet, obwohl sie das Wort nicht entziffern konnten. Keiner dieser Briefe erreichte jemals Curwen, doch das bald darauf festgestellte Verschwinden von Jedediah Orne aus Salem bewies, daß die Männer aus Providence in aller Stille gewisse Schritte unternahmen. Im Besitz der Historischen Gesellschaft von Pennsylvanien befinden sich auch einige merkwürdige Briefe an Dr. Shippen, in denen von einem seltsamen Individum in Philadelphia die Rede ist. Aber es lagen einschneidendere Maßnahmen in der Luft, und wir müssen die wichtigsten Ergebnisse von Weedens Enthüllungen in jenen geheimen Zusammenkünften eingeschworener und erprobter Seeleute und treuer alter Kaperer suchen, die bei Nacht und Nebel in den Lagerhäusern der Browns abgehalten wurden. Langsam, aber sicher reifte ein Plan für eine Kampagne heran, die keine Spur von Joseph Curwens unheilvollen Geheimnissen übriglassen würde.
    Curwen spürte offenbar trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, daß sich etwas zusammenbraute; denn es fiel auf, wie besorgt er neuerdings aussah. Seine Kutsche tauchte zu allen Tageszeiten in der Stadt und auf der Pawtuxet Road auf, und nach und nach verlor sich das übertrieben freundliche Gebaren, mit dem er in der letzten Zeit versucht hatte, die Bedenken der Stadtbevölkerung zu zerstreuen. Seine nächsten Nachbarn auf dem Bauernhof, die Fenners, beobachteten eines Nachts einen starken Lichtstrahl, der aus einer Öffnung im Dach jenes kryptischen Steingebäudes mit den hohen, außerordentlich schmalen Fenstern zum Himmel aufschoß; sie meldeten das Ereignis sofort John Brown in Providence. Mr. Brown war der mit allen Vollzugsgewalten ausgestattete Führer der auserwählten Gruppe geworden, die sich Curwens Beseitigung zum Ziel gesetzt hatte, und hatte die Fenners davon unterrichtet, daß man etwas unternehmen würde. Er hatte dies für notwendig erachtet, weil es unmöglich war, daß sie von dem abschließenden Überfall nichts merken würden; und er erklärte sein Vorgehen damit, daß man wisse, daß Curwen ein Spion der Zollbeamten in Newport sei und jeder Schiffer, Kaufmann und Bauer aus Providence ihm öffentlich oder im geheimen Rache geschworen habe. Ob die Nachbarn ihm das wirklich glaubten, da sie doch so viele merkwürdige Dinge gesehen hatten,ist nicht sicher, doch auf alle Fälle waren die Fenners geneigt, einem Mann von so seltsamem Gebaren auch das Schlimmste zuzutrauen. Mr. Brown hatte sie beauftragt, Curwens Bauernhaus ständig zu beobachten und regelmäßig über alle Vorfälle, die sich dort abspielten, Bericht zu erstatten.
    Die Wahrscheinlichkeit, daß Curwen auf der Hut war und zu ungewöhnlichen Mitteln greifen würde, wofür der sonderbare Lichtstrahl sprach, führte schließlich zur überstürzten Durchführung der Maßnahmen, die von der Gruppe angesehener Bürger so sorgfältig geplant worden waren. Laut Smith' Tagebuch trafen sich am Freitag, dem zwölften April 1771, abends zehn Uhr, etwa hundert

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