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Der Fall Demjanjuk

Der Fall Demjanjuk

Titel: Der Fall Demjanjuk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Wefing
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namens Iwan Demjanjuk aus Sobibor erinnern. So notiert es Jacobs auch in seinem Abschlussbericht, Aktenzeichen A8 237 417, vom 19. Dezember 1976: «No witness was found who could relate the allegations, supra, to SUBJECT.» – «Es wurde kein Zeuge gefunden, der die oben genannten Behauptungen mit der betreffenden Person in Verbindung bringen konnte.»
    Doch damit ist die Untersuchung gegen Demjanjuk nicht zu Ende. Im Gegenteil, sie beginnt erst. Genauer, sie nimmt eine völlig überraschende, im Nachhinein muss man sagen: eine fatale Wendung. Eine Wendung, die zu einem Desaster für die amerikanische und die israelische Justiz führen und John Demjanjuk Jahre seines Lebens kosten wird.
    Auf der Suche nach Zeugen hat der INS schon früh die Kollegen in Tel Aviv eingeschaltet. Der New Yorker INS-Chef schreibt im März 1976 an die Sonderermittler der israelischen Polizei, die auf die Suche nachNS-Verbrechern spezialisiert sind. Er schickt ihnen Akten und Fotos von mehreren Verdächtigen, darunter Demjanjuk und Fedorenko, und bittet darum, Überlebende der Vernichtungslager Sobibor und Treblinka zu befragen. Das Ziel der Untersuchungen, so verstehen es die Israelis, ist es, Verdächtige zu identifizieren, um den Amerikanern Beweismaterial für mögliche Ausweisungsverfahren zu liefern. Mehr nicht. Niemand in Tel Aviv kommt seinerzeit auf den Gedanken, dass die Anfrage aus New York zu einem der spektakulärsten Strafprozesse der israelischen Justizgeschichte führen könnte.
    Die Untersuchungen übernimmt Miriam Radiwiker, eine damals bereits siebzig Jahre alte Juristin, die über große Erfahrungen in NS-Verfahren verfügt. Gezielt wendet sie sich an eine Reihe von KZ-Überlebenden, die sich nach dem Holocaust in Israel niedergelassen haben, und legt ihnen die Fotos von Demjanjuk, Fedorenko und fünfzehn weiteren Männern vor, die allesamt im Verdacht stehen, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Demjanjuks Foto, das die Nummer 16 trägt, stammt aus seinem Visumsantrag von 1951. Es zeigt ihn im Alter von etwa dreißig Jahren, wohlgenährt, in ziviler Kleidung, mit Krawatte und weißem Hemd. Ob ihnen einer dieser Männer bekannt sei, fragt Radiwiker die einstigen KZ-Insassen.
    Ja, sagen mehrere der Befragten und deuten auf Demjanjuks Foto. Ja, ich kenne diesen Mann. Ich habe ihn schon einmal gesehen. Das ist ein bestialisch grausamer Ukrainer. Im Lager haben wir ihn «Iwan Grosny» genannt, Iwan den Schrecklichen. Das ist der Mann, der Männern die Ohren und Nasen abgeschnitten hat und Frauen die Brüste, aus purem Sadismus. Die Zeugen sagen: Das ist der Mann, der die Gaskammern in Treblinka betrieben hat.
    In Treblinka.
    Nicht: In Sobibor.
    Miriam Radiwiker hat später berichtet, wie überrascht sie von den Aussagen gewesen sei. Sie habe den Zeugen nicht glauben wollen, beteuert sie, sie habe nachgefragt, die Überlebenden mehrfach daran erinnert, dass die Dokumente darauf hindeuteten, Demjanjuk sei in Sobibor gewesen, nicht in Treblinka. Aber die Zeugen beharren auf ihren Aussagen, einer nach dem anderen. Gestandene Männer um die siebzig, Überlebende des Holocaust, für die schon der Anblick derFotos ein Schock war, eine entsetzliche Erinnerung an die Hölle von Treblinka.
    Schier endlos ist später über diese Identifikationen gestritten worden. Demjanjuks Anwälte argumentierten, das Foto, auf denen die Zeugen Iwan den Schrecklichen wiederzuerkennen glaubten, sei irreführend und suggestiv gewesen. Es sei größer, klarer und eindringlicher als die Vergleichsbilder der anderen Männer gewesen, die den Überlebenden präsentiert wurden. Der Verdacht habe gezielt auf Demjanjuk gelenkt werden sollen. Wirklich geklärt werden konnten diese Vorwürfe nicht. Aber es blieb die Tatsache, dass gleich mehrere Überlebende John Demjanjuk als Iwan den Schrecklichen identifizierten. Unabhängig voneinander, ihrer Sache sehr sicher, emotional tief bewegt. Es war eine Tatsache, an der die Ermittler kaum vorbeikonnten. Wer wollte die Beteuerungen der Holocaust-Opfer in Zweifel ziehen?
    Also passten die Beamten des INS in den Vereinigten Staaten ihren Vorwurf an. In seinem Abschlussbericht vom 19. November 1976 schreibt Harold E. Jacobs, die Ermittlungen gegen Demjanjuk seien um einen zweiten Namen erweitert worden, unter dem er «offenbar im Zweiten Weltkrieg bekannt war und unter dem er von mehreren Überlebenden des Konzentrationslagers Treblinka, Polen, identifiziert wurde: IWAN GROZNY».
    Obwohl Demjanjuk in Hanusiaks

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