Der Fall der Feste
Geräusch. Ihm war, als kröche er vorwärts. Als käme er einem Licht näher, das schwach von der Seite her einfiel, dem Flüstern eines Lichts. Er kam an einen Einschnitt, einen abzweigenden Schacht, einen quadratischen Durchstich zu anderen Schächten. Etwas regte sich weit hinten in seiner Tiefe. Etwas kreuzte dort diese Abzweigung. Etwas zuckte dort. Es scharrte und quäkte. Klagende Laute. Lange Glieder zuckten, zu lange, zu viele, zu fremdartige, falb und ölig. Etwas warf sich und bebte, wie von Krämpfen geschüttelt. Etwas verendete dort.
Ein Knistern. Blitzgeäder fuhr über zuckende Glieder. Es brannte darin. Es quiekte schrill, während grelles Gestachel es schmorend abtastete. Er kroch schnell an der Schachtabzweigung vorbei. Die wiederkehrende Stille trat plötzlich ein.
Er kam heraus in Kühle. Die Dunkelheit wollte nicht von ihm lassen. Nachtluft umfing ihn. Winzige Punkte glitzerten in der dunklen Kuppel über ihm und rotierten. Er sank auf Gras und Erde. Ein leiser Windhauch strich über ihn hinweg. Er versank wieder in einer tieferen Dunkelheit.
Eine große, schwere Form steht im Dunkeln vor ihm. Sie wendet den Kopf. Ein massiges Tier. Es schnaubt.
Die Zügel hängen herab, haben sich im Buschwerk verheddert. Sein Rücken, sein Leib verschlingt die Nacht, doch die Augen, aus denen es ihn ansieht, funkeln in der Dunkelheit. Es beugt den Kopf herab. Er kann sich aufrichten. Er kann die Zügel packen.
Eines der Pferde, die sie freigegeben hatten, war tatsächlich dem Kampfgewühl entkommen. Der Ring lag wie ein kalter Kreis auf seiner Brust und klammerte sich an ihn. Als sei es weit entfernt, fuhr eine Korona im Puls eines Herzschlags durch seinen Körper. Er spürte die Flanke des Pferdes gegen seinen Körper, spürt etwas Hartes, kaltes Metall, ertastet einen Knauf. Ein Halfter, ein Schwertgehänge. Ein Kurzschwert. Wollen ihn die Klingen denn nicht in Ruhe lassen? Das Bewusstsein versank ihm.
Irgendwie war er auf den Pferderücken gelangt. Er spürte die Zügel in seiner Hand. Mit zaghaften Schritten trottete das Pferd los.
Der große schwankende Pferderücken, ein schwankendes Schiff, das die Nacht durchzieht. Er ist weit weg in einem sirrenden, raumlosen Reich. Der Strom muss breit sein, er kann kein Ufer fühlen.
Etwas dämmert. Er war dabei. Er war dabei, wie etwas zu Ende geht. Eine gezackte steinerne Krone auf einen Felsen in die Mitte einer großen Ausdehnung von Menschen gerammt, deren Spitzen zu den Göttern riefen und Befehle in die Weite schickten. Ein Schlag fuhr herab, und sie bekam Risse und bröckelte.
Eine Zeit ging zu Ende, und eine neue Zeit brach heran.
Eine Zeit lange vergessen geglaubter Fertigkeiten, aus den Tiefen einer reifgrauen Vergangenheit. Eines Wissens um ungeheure Geister in einem unermesslichen Ozean und wie man sie stacheln und kandaren könnte. Um Blicke aus menschenfernen Augen. Eine Zeit dunkler und untergründiger Handhabungen. Der Morgen einer Flutwelle gewaltigen Wissens. Unter der die dagegen noch jungen Zügel der Welt vergingen. Wesen gingen um, die man geschaffen hatte. Körper behausten Seelen, die wanderten. Geister erledigten Aufträge, die ihnen aufgeprägt wurden. Geistkerne wiederholten stumpf die eingeprägten Routinen, trieben Dinge durch das Wasser und durch die Luft. Gestaltete Geister dachten Gedanken, die Menschen verschlossen blieben und durchbrachen die Mauern des Todes. Sonnengehirne regten sich wieder. Bannwerke wurden gezüchtet wie Wucherwerk, und sie wuchsen wie Kristalle. Schwerter sprachen und zergliederten ihr Mordwerk und waren darin ihren Herren überlegen wie das Licht der Motte. Eine dunkle Flutwelle kam, in der dies alles wie verstreute Funkenkörner aufblitzte. Ein Gesicht wie ein bleiches, aufgequollenes Meeresgetier. Ein Blick, der seinen Nagel in die Welt trieb. Eine dunkle Flutwelle kam.
Wer konnte sich ihr schon entgegenstellen?
Kein Ufer abzusehen.
Licht kam. Tag kam.
Im Schwanken seines Bootes durch das vergessene Land trat sein Vater zu ihm.
Sein Vater sprach zu ihm.
Er sagte: „Du bist der Mann geworden, der ich immer sein wollte.“
Es erstaunte ihn sehr, dass sein Vater so vor ihn trat. Es erstaunte ihn noch mehr, dass er unversehrt war, dass sein Kopf auf seinem Hals saß. Er trat vor ihn in seiner unversehrten Gestalt.
„Du bist mein Sohn, den ich liebe“, sagte sein Vater. Nichts an dessen Stolz oder dessen Liebe war ihm nun mehr zuwider. Er spürte den Valkaersring auf seiner Brust,
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