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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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der pulste, pulste.
    „Du bist das geworden“, sagte sein Vater, „was ich immer sein wollte: einflussreich, gebildet, jemand, der etwas in der Welt bewirkt, sie vielleicht zum Besseren verändert.
    Leider habe ich dabei auf ganzer Linie versagt. Im Kampf war ich stark, in allem anderen leider erbärmlich schwach.“
    Ich habe nichts zum Besseren bewirkt, wollte er schreien. Ich habe doch auf ganzer Linie versagt.
    „Wer weiß das schon“, sagte sein Vater. Überlass das Urteil höheren Geistern. Und den Toten.“
    Er sah die Gesichter vorbeiwandern. Aber es sind die Toten, vor denen ich mich fürchte, ich fürchte mich vor ihrem Urteil.
    „Wer tut das nicht?“, sagte sein Vater, und sein Blick versank in der Ferne und in Schwermut.
    „Ich habe deine Mutter geliebt“, sagte er schließlich nach einer langen Pause. „Vom ersten Moment an, wo ich sie sah. So, wie ich sie da vor mir sah, stellte sie für mich das Bild von dem dar, was ich haben wollte. Und das ist sie auch immer geblieben. Mein Idol, die Verkörperung meines hohen Ziels. Dessen, was ich nie erreichen konnte.  
    Dafür bestraft man seine Idole.“
    Der Blick seines Vaters kehrte zu seinen Augen zurück und hielt an ihnen fest.  
    „Wenn ich sie geschlagen habe“, sagte er, „dann habe sie für mein Unvermögen, mein Versagen bestraft. Wie ich schon sagte, ich war schwach.“
    Es erstaunte ihn, dass er es nicht überraschend fand, seinen Vater so reden zu hören.
    „Ich habe heimlich die Bücher gelesen, die ich für sie mitbrachte“, so redete sein Vater. „Ich kannte sie. Ich kannte sie gut.
    Aber wie hätte ich mit irgendjemandem darüber reden können. Ich dachte, ich würde den Respekt meiner Leute verlieren, sie würden mich verachten.“
    Er sah Auric mit einem Lächeln an, in dem sich Wehmut und Stolz mischte.
    „Du warst da mutiger als ich“, sagte er.
    „Dafür habe ich dich gehasst und bestraft. Du hast mir Angst gemacht. Ich habe dir die Verachtung gezeigt, die ich befürchtete von den anderen zu bekommen, wäre ich mutiger gewesen. Ja, ich hatte Angst vor dir. Dir gelang alles so leicht wobei ich versagte. Der Hass, den ich dir zeigte, galt mir selber.“
    Er hatte lange nicht mehr an den kleinen Virri gedacht, doch jetzt stieg dessen Bild vor ihm auf. Virri, der sich vor Angst die Hosen vollgepisst hatte, und dann, nachdem er seinen ersten Vraigassen hatte töten müssen, mit einer Grausamkeit und Verbissenheit im Herzen das Werk der Jungtrupps getan hatte, der sogar dem alten Kaustagg willfährig gewesen war, indem er für ihn einem besonders blutigen und grausigen Werk nachging. Niemand wusste, welche Art von Hass der andere im Herzen trägt.
    „In meinem Inneren“, sprach sein Vater weiter, „fühlte ich mich dir unterlegen, und dieses Gefühl verwandelte sich in Grausamkeit gegen dich. Du warst für mich der lebende Vorwurf. Genau wie schon vorher deine Mutter.
    Ich habe dich erwartet, damals, nachdem ich sie getötet habe. Ich habe dich als meine gerechte Strafe erwartet. Du hast mich nicht enttäuscht.“
    Das Schiff des Tages trug sie langsam durch weites Land, während sie einander eine Weile schweigend gegenüber standen.
    „Ich wusste lange nicht“, begann sein Vater schließlich erneut, „wie ich das wieder gutmachen sollte. Im Leben nicht, und auch lange Zeit nach dem Tod nicht. Ich konnte deshalb nicht fort gehen. Jetzt ist es mir klar geworden. Deshalb bin ich hier.“
    Er griff in ihn hinein, öffnete die Hand und gab etwas frei.
    „Ich mache dir ein Geschenk, das etwas aufschließt“, sagte sein Vater. „Das der Schlüssel zu etwas ist. Zu einem anderen Geschenk. So ist es, wie wir vorwärts gehen.“
    Er wandte sich von Auric ab.  
    „Und ich“, sagte er „will jetzt auch vorwärts gehen. Leb wohl.“
    Das Schiff des Tages hob und senkte sich unter ihm. Er griff über die Kante des Bugs in den Schaum der Wellen und ergriff eine Mähne. Er öffnete die Augen und sah Pferdeohren, die zuckend Fliegen wegscheuchten. Er lag blutend auf einem Pferderücken, breit und stark wie die Welt. Er musste gegen das Licht des Tages die Augen zusammenkneifen. Und sah das Land verschwommen vor sich. Er sah die Umrisse von Bergen. Sein Vater war noch immer da.
    „Ich muss noch ein Letztes tun, hat man mir gesagt“, sagte er.
    Er sah seinen Vater mit zusammengekniffenen Augen gegen das Licht.
    „Erinnerst du dich an das Schiff mit Masten, das aus einem Felsriff ragt? In die Klippen der Erde gebaut. Ich soll

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