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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Selbstschichten anderer Wesen wahrnehmen, also das, was ihre geistigen Organe nach draußen hin ausstrahlen, aber ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich einmal mitten in diese Organe hineinschauen könnte.“
    Sie gingen durch das Flimmern und Lichterweben, durch das gigantische Getriebe der Mühlräder aus Licht und Geist, in die Richtung hin, in der Auric den Zug des Geschenkes spürte, hinein in die erste der Achse von Sphären. Es herrschte hier Aufruhr, das war spürbar. Sie gingen durch ein Gewühle, ein Gekreische, ein rasendes Stürzen von Sonnenrädern, ein Vorbeiheulen miteinander verzahnter Kometenschwärme. Dass nicht alles regelrecht verlief in diesem Geist, war selbst dem unvorbereiteten Betrachter von vornherein klar. Doch sie gingen durch dieses Chaos, das sie zuweilen hinwegfegen und unter Feuerrädern begraben zu wollen schien, unbehelligt hindurch. Die Hölle teilte sie für sie; dies war nur ein Abbild, eine Projektion.
    Sie standen jetzt im Inneren ihrer Maschinerie, die sich wie eine Kugel um sie herum wölbte und blickten nach außen. Wenn ‚außen‘ das richtige Wort dafür war. Um die Sphäre herum öffnete und erstreckte sich eine Szenerie, die Auric nur allzu bekannt vorkam.
    Er sah Lichtbahnen Wolken aus Staub und Trümmern durchschneiden. Er sah eine riesige geborstene Steinplatte, die ein Siegel war. Er sah ein plötzlich hereinbrechendes Chaos der Zerstörung.
    Er sah Umanákhu.  
    Seine Augen waren vor Schreck weit aufgerissen und er lief, er rannte, um der Vernichtung des Kinphaurenbauwerks zu entkommen. Auric sah Jag. Er sah Kudai. Auch sie flohen durch Schwaden von Staub, durch herabregnende Trümmer.
    Er sah den Moment der Zerstörung, in dem der Silaé befreit wurde, in dem er ihm, Auric, das Geschenk machte.
    Und er sah mehr.  
    Er sah die einfache Szenerie neu organisiert, nicht auf Orte und Individuen bezogen, als würden die Elemente der Sichtbaren, des Fühlbaren, der Farben und des Stofflichen auf eine wesenhafte Art zusammenarbeiten, um genau den physischen Eindruck dieses Augenblicks zu erzeugen.
    Er sah die Welt um sie herum. Jenseits der Szenerie in der einstürzenden Eingangshalle. Er sah den Senphoren draußen vor dem Bauwerk. Er sah ihren verletzen Korporal. Er sah den Felsblock, auf dem das Kinphaurenbauwerk stand. Er sah die Treppe, die herabführte und das Land ringsum.
    „Dies ist die Wahrnehmung der physischen Welt durch den befreiten Silaé“, erklärte ihm Darachel, während sie schon von dem Sog weitergezogen wurden.
    „Bleibt die Konklavsphäre stabil?“
    „Es gibt keinerlei Anzeichen, dass sie zusammenbrechen könnte.“
    Sie wurden durch eine Konstellation von Sphären gezogen, deren Wirken Auric nicht verstand, deren Innenleben für ihn einfach nur ausufernd komplex, gigantisch und undurchschaubar war. Er ging einfach nur staunenden Blicks und ohne weiteres Verständnis hindurch. Dann kamen sie in eine anschließende Sphäre und Darachel stieß einen Ruf des Wiedererkennens aus.
    Wie ein gigantisches Blütenflirren, ein Öffnen und Zusammenziehen, ein Miteinander bizarrer rädergleicher wie in einem Atemrhythmus pulsierender Wesen in einem dichten, lichtdurchflossenen Medium so war diese Sphäre für Auric. Aus dem Weben ihrer Organe erblühten Ausblicke auf ein Ringsum. Die Sphäre war auf eine Art und Weise verbunden mit dem Reich ringsum, die dadurch, dass man sagte, sie werde vom ihm umgeben, nur unzureichend dargestellt wurde. Die Sphäre war inmitten dieses Reichs, sie war ein Kanal für seine Mächte, sie war mit ihm verbunden wie die Augen mit dem Licht.
    „Was ist, Darachel?“
    „Ich sehe etwas, das ich erkenne. Das dort draußen sind Bereiche der Zwischenschichten, solche welche die Urformen für bestimmte Kategorien chemischer Vorgänge darstellen.“
    Auric strengte seine Sinne an, um die Welt dort draußen genauer zu erfassen. Das waren also die Bereiche, die Darachel mit seinen Sinnen ständig wahrnehmen konnte. Von denen sie irrtümlich vermutet hatten, dass das Geschenk des Silaé auch ihm ermöglichen würde, sie zu sehen. Das waren die Bereiche, auf deren Manipulation die magischen Forschungen seiner Ninraé-Gefährten beruhte. Er sah ein Lichterweben, Wellen von einander umstrickenden Kräften, Branden und Fluten, ein Herausbilden leuchtender Ballungen, ein Verebben von Schattenzonen; all das zu fremdartig, all das zu neu, als dass der flüchtige Blick darauf wirklich etwas Begreifbares in diesem Geschehen herausfiltern

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