Der Fall der Feste
Lider.
Er stand auf, hielt Béal die ausgestreckte Hand hin. Was konnte er mehr tun?
Ein Blick umher zeigte ihm, dass sie alle die Zeichen von dem trugen, was hier vorgefallen war. Eine harte Verzweiflung lag in ihren Zügen. Er hatte etwas Ähnliches nie zuvor bei Ninraé gesehen.
Er selber hatte den ersten Schock der Begegnung mit Kampf und Sterben in seiner Jugend erlebt, doch er konnte sich nur annähernd vorstellen, wie dies hier für sie gewesen sein musste. Im Kampf die eigenen Brüder und Schwestern töten zu müssen. Bei der fremdartig engen Weise der Verbundenheit, die zwischen den Mitgliedern ihrer Rasse herrschte.
Aber es hatte keine Wahl für sie gegeben, wenn sie überleben wollten.
Er atmete schwer durch, streckte sich und richtete sich gerade auf.
Er hatte keine Wahl gehabt als sie zu diesem Gegenangriff anzutreiben. Es war die Realität, und die war schrecklich; es war nicht seine Schuld. Sich verrammeln und warten dass es vorüberging? Bei der Wirkung die der Drachenblutrausch auf die Ninraé gehabt hatte? Das war keine Option gewesen. Er hatte Zweifel, ob diese Art Drachenblutrausch einfach irgendwann verebbte. Lag es am Wesen der Ninraé, das sie besonders anfällig machte, oder handelte es sich hier um ein reineres, stärkeres Drachenblut als das, welches seine Landsleute im Norden konsumiert hatten, um sich für die Schlacht aufzuputschen? War dies vielleicht das ursprüngliche Drachenblut, von dem Darachel erzählt hatte, das die Criyvan-Anaácht in grauer Vorzeit den von ihnen geschaffenen Vai-Gaijar verabreicht hatten?
Nein, es hatte keine andere Möglichkeit gegeben, als auch die anderen, die bisher tatenlos hinter der Schwelle der Halle verblieben waren, zu einem Ausfall aus der Halle und einem Gegenangriff anzustacheln. Schließlich waren sie im Schwertkampf trainiert, anders als die meisten ihrer Angreifer. Schließlich hatte er sie in der Halle des Neuen Rings gut für das ausgebildet, was dann folgte.
Ja, das, was dann folgte, hatte erwiesen, dass er sie alle wirklich gut ausgebildet hatte.
Er schloss kurz die Augen, massierte den Stirnansatz über der Nasenwurzel.
Man brät ein Stück Fleisch, um es zu essen. Man schärft ein Schwert, um es zu benutzen. Ihr Training hatte er genossen, weil es eine Qualität der Unschuld gehabt hatte, die er bisher in solchen Kampfübungen niemals erlebt hatte. Aber das war nichts als eine Täuschung gewesen. Es gab keine Unschuld in diesem Geschäft.
Er sah Sekainen, ging zu ihr hinüber.
„Bist du in Ordnung?“
Sie sah ihn mit einem Blick an, der nicht ganz in der Realität war.
Sie schnaufte bitter. „Jedenfalls bin ich nicht allein mit all dem.“
Er nickte. Überlegte dann, ob sie damit ihn meine oder all die anderen um sie herum, die dieses Schicksal mit ihr geteilt hatten, aber etwas in ihrem Tonfall machte ihn argwöhnisch.
„Wie meinst du das?“
Sie hob den Blick zu ihm, das Erstaunen einer plötzlichen Erkenntnis auf den Zügen.
„Die Silaé sind nicht die einzigen Patenwesen. Es gibt weniger mittelbare Kräfte.“
Das Erstaunen in ihrem Blick, es war das Wiederentsinnen einer in ihrer Gefährtenschaft und dem Vorgefallenen ihr entglittenen Tatsache: Er war ein Menschenmann; er war nicht von ihrer Art. „Dieses … Das, was geschehen ist, unser Schock darüber, ist nicht unbemerkt geblieben. Wir haben Hilfe. Wir haben Kräfte, die uns stärken.“
Tatsächlich? Gut für sie.
„Auch die anderen Silaé“, fuhr Sekainen fort, „dürften jetzt über das, was hier vorgefallen ist, alarmiert sein. Sie sind wahrscheinlich schon auf dem Weg hierher.“
„Rettung ist also unterwegs.“ Er hatte es wohl nicht ganz geschafft, den Sarkasmus aus seiner Stimme herauszuhalten, denn Sekainen warf ihm einen merkwürdigen, forschenden Blick zu.
„Es dürfte einige Zeit dauern, bis sie von den Domänenwällen hierher durchgedrungen sind“, sagte sie in etwas verunsichertem Ton.
„Und Zeit haben wir gerade gar nicht. Mit jeder Minute, die vergeht –“
Grelles Licht flammte aus den Tiefen der Gänge auf. Auric fuhr herum. Im Schein von Flammen rannte eine Gestalt auf sie zu.
Er sah sie vor sich. Er sah sie als noch entfernte kleine Gestalten im hellen Ausschnitt der Gangöffnung, doch er wusste, sie waren es. Er erkannte deutlich die auffällige Gestalt Aurics. In seinem Weg sah Darachel Leichen liegen, sprang über sie hinweg. Auch dort vorne bei seinen Gefährten lagen noch mehr Leichen verstreut auf dem
Weitere Kostenlose Bücher