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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Auric starrte sie über die Schulter des gegen sie Gepressten genau in die rasenden, wutverzerrten Gesichter der von hinten weiter Andrängenden.
    Er schob, drückte, ächzte und knurrte unter der Anstrengung, glaubte unter dem Ansturm keinen Atem mehr zu bekommen. Für Sekunden war alles ein einziges wildes, schwitziges Gerangel von Körper gegen Körper. Er kämpfte mit dem Arm, der das Schwert hielt, um etwas mehr Bewegungsfreiheit, zog und zerrte, bekam den Arm so weit frei, dass er die Klinge abwärts ziehen konnte, traf Widerstand, zerrte sie zum Schneiden mit Druck herab und hörte einen schrillen, heulenden Schmerzensschrei als Antwort auf das Eindringen der Schneide. Er zerrte weiter, drehte, schnitt tiefer. Das Heulen schwoll an und wurde zu einem Laut, den er niemals geglaubt hatte, aus einer Ninraékehle zu hören. Der Getroffene konnte genauso wenig die Arme freibekommen um sich zu verteidigen, wie er selber mehr Bewegungsraum erkämpfen konnte. Der Druck, das Hin und Her, zog sich Sekunden weiter. Instinkthaft geprägt vom Erleben ähnlicher Situationen wartete er auf die zwangsläufige Unterstützung aus der zweiten Reihe, dann kam ihm zu Bewusstsein, wo er sich befand und wer seine Mitstreiter waren.
    „Die Zweite Reihe, los! Stecht sie nieder!“, brüllte er nach hinten, den Kopf dabei so weit wendend, wie ihm das enge Geringe erlaubte. „Stecht hinein, über unsere Köpfe! Stecht zu, die Schwerter wie Spieße!“ Die Gesichter, auf die er dabei einen Blick erhaschte, spiegelten ungläubiges Entsetzen. Sie konnten nicht glauben, dass er das ernst meinte. Sie hatten die Bedrohlichkeit der Situation erfasst, konnten den extremen Ernst der Lage aber noch nicht in ihrem Inneren annehmen.
    Er rang weiter, blickte seinem Gegenüber aus nächster Nähe ins Gesicht, sah dessen gänzlich dunkle Augen wie von einem Schleier überzogen, die ansonsten makellos bleiche Haut fleckig und gedunsen. Aber es kam noch immer keine Reaktion auf seinen Ruf.
    Seine Ninraégefährten waren so geschockt von der grausigen Konsequenz, die die Situation von ihnen forderte, dass sie wie in einer Lähmung ihre Augen vor der Wahrheit verschlossen. Er konnte sie zu gut verstehen. Das war ihr erster wirklicher, ernster Kampf. Sie hatten noch nie im Gefecht getötet, und das hier waren ihre Brüder und Schwestern. Aber Empathie hatte hier keinen Platz. Er musste sie zum Handeln aufrütteln.
    „Los, stecht zu!“, brüllte er noch einmal aus voller Kehle, dass seine Schläfen dröhnten. „Wollt ihr sterben? Wollt ihr hier getötet werden? Entweder sie oder wir!“
    Eine einzelne Schwertklinge sauste an seinem Kopf vorbei, stach zu. Das Ninraégesicht, in das er blickte, erstarrte wie gelähmt. Keuchen, Röcheln und Blutspucken. Die Tropfen trafen ihn ins Gesicht. Der Körper erschlaffte, sein Druck ließ nach.
    „Los“, brüllte er erneut nach hinten, „sie kennen keine Gnade! Wehrt euch, wenn ihr leben wollt! Zweite Reihe, stecht über uns hinweg!“
    Jetzt endlich schienen sie zu begreifen. Dass es ein grausiges Werk war. Dass sie es dennoch entweder vollbringen oder sterben mussten. Dass es keinen Ausweg als Grauen gab.  
    Klingen stachen über die Köpfe der eingezwängten ersten Reihe hinweg und fanden Opfer. Stahl bohrte sich in Fleisch, wurde zurück gerissen, stach erneut zu. Wie zuschnappende Hauer. Wieder und wieder.
    Das Gebrüll zorniger Raserei wandelte sich zu Schreien von Schmerz und Entsetzen. Der Druck der Körpermassen ließ nach. Ihre Wucht erschlaffte. Körper sackten zusammen, fielen nicht, weil sie von der sie einzwängenden Masse, der noch Stehenden, Andrängenden gehalten wurden, bis diese Weiterrückenden ebenfalls abgestochen wurden. Es bildete sich ein Wall aus Sterbenden und Verwundeten, über die Nachrückende nicht ohne Mühe hinwegkamen.
    Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte Auric Gesichter seiner Mitkämpfer, aus denen wahrhaftig blanker Horror sprach. Bruc hielt sich gut, doch Siganche war einer Hysterie sehr nahe. Hinter der Schwelle des geborstenen Tores sah er noch mehr ihrer Gemeinschaft versammelt, die dem Geschehen wegen der Enge des Durchgangs hilflos zugesehen hatten und deren Blicke ebenfalls von Entsetzen gezeichnet waren. Doch auch die mussten – so furchtbar das auch war – ihre Hemmung und Lähmung überwinden. Wenn sie hier überleben wollten. Die Enge des Durchgangs mochte zwar günstig für eine Verteidigung sein, doch wenn sie ihre Lage nicht mit Nachdruck

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