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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Leichen gesammelt und aufgebahrt, hatten die Gräuel angeschaut, hatten die Verwundeten verarztet. Sie hatten all das angesehen und sich gefragt, wer sie waren.
    Gewiss, sie waren dem Drachenblut erlegen. Sie hatten das alles unter seinem Einfluss getan. Sie waren betrogen worden. Doch trotz allem, diese Frage blieb.
    Wer sind wir?
    Wer sind wir, die wir das getan haben? Was hat das aus uns gemacht? Welchen Weg gehen wir danach?
    All die Fragen, die ihrer kleinen Gemeinschaft – Plateaugemeinschaft hatten sie sich ganz zu Anfang genannt – schon aufgezwungen worden waren, nachdem sie den Menschenmann, nachdem sie Auric Ninragon gefunden hatten. Die Fragen, die das Schicksal dem Neuen Ring aufgezwungen hatte, sie stellten sich nun allen Bewohnern von Himmelsriff. Vielleicht sogar den Ninraé als ganzem Volk.
    Der Neue Ring. Passte dieser anmaßende Name noch zu ihnen? Wo einer aus dem engsten Kreis ihrer Gemeinschaft fehlte, einer, um die Zahl der Neun voll zu machen, die an jenen alten Ring vom Schicksal Zusammengeführter erinnerte, der für sie namensgebend gewesen war.
    Alle hatten sie Verluste erlitten. Alle musste sie mit der Trauer fertig werden.
    Alle waren sie verwandelt worden und mussten sich fragen, wer sie nun waren.
    Fianaike, ihre feinsinnige Fianaike, sie hatte wohl einen der seltsamsten Wege der Verwandlung von allen genommen.
    Auch sie hatte an der verhängnisvollen „Weihe des Tranks und des Körpers“ teilgenommen, auch sie hatte von Bogenfall des Lichts das Drachenblut verabreicht bekommen. Sie war dem Wahnsinn verfallen wie alle anderen auch. Doch dann hatte ihre Raserei eine andere Richtung genommen. Die Fianaike, die so sehr in den Vorbereitungen ihrer Aszension aufgegangen war, die von ihnen allen den Weg so weit gegangen war, dass sie höhere geistige Glieder ausbildete, dass sie die äußeren Schalen ihres Anvha V‘rhian-su‘an-djighad öffnete und ihr neue Hierarchien von Aszensionspaten sichtbar wurden, sie hatte sich im Drachenblutwahn auf einen Weg begeben, den vorher nur bestimmte Enthravanen hatten gehen können. Oder natürlich die Verwandelten, doch für sie war es ein Weg ohne Rückkehr. Fianaike war im Drachenblutrausch ins Geisterreich aufgestiegen. Ohne Hilfe eines Silaé oder eines anderen Patenwesens.
    Sie hatte dort gewütet und einen Aufruhr verursacht. Doch war es ihren Patenwesen, zu denen sie mit ihrem Entwicklungssprung in eine vertiefte Beziehung getreten war, möglich gewesen, das Drachenblut aus ihr auszutreiben. Und mit einer verwandelten Fianaike in die physische Welt zurückzukehren um ihnen allen dann auf die Art zu helfen, wie sie es getan hatten. Mit Fianaikes geistiger Gestalt hatten diese Patenwesen den Neuen Ring vor den Angriffen des besessenen Bogenfall des Lichts‘ gerettet. Und schließlich mit der weiteren Hilfe Auric Ninragons sie alle vom Einfluss des Drachenbluts befreit.
    Alle hatten sie Verluste erlitten.
    Was mit Viankhuan geschehen war, darüber konnte er nur Vermutungen anstellen. Hatte sie genau wie Cenn-Vekanen etwas verbergen wollen? Hatte sie mit ihm im Bunde gestanden? Hatte sie deshalb genau wie er im Drachenblutrausch die Angehörigen des Neuen Rings vernichten wollen, weil sie etwas erforschten, was verborgen bleiben sollte? Aus welchen Gründen auch immer. Das war die große Frage hinter allem.
    Oder war es Viankhuan wie vielen anderen ergangen, die nichts von Magie wussten und bei denen das Drachenblut ohne Vorwarnung plötzlich alle inneren Barrieren weggespült hatte? Sie hatten in Bereiche gesehen, die ihnen bisher unsichtbar geblieben waren und sie hatten in Kammern gegriffen, in denen Kräfte schlummerten, von deren Existenz sie bisher nichts geahnt hatten. Wenn dies auch für Viankhuan so war, dann hatten sich diese Kräfte als zu viel für sie erwiesen. Sie war eine Enthravanin, weit fortgeschritten auf ihrem Weg. Hatten die Kräfte, die in den dunklen Gewölben außerhalb ihres Blickes mit ihren anderen Fähigkeiten gewachsen waren, sie überwältigt und sie zerbrochen?
    Auf eine furchtbare Weise hatten jene, die von ihnen zuvor unbekannten Kräften überwältigt worden waren, bewiesen, was Cenn-Vekanen versucht hatte, vor ihnen allen zu verstecken: Ninraé waren fähig Magie zu praktizieren.
    Auch mit dieser Wahrheit mussten sie leben.  
    Er war neugierig, welche neuen Antworten die Enthravanen, welche sie alle dafür finden würden. Er hoffte es bald zu erfahren: Die Zusammenkunft der Enthravanen, das von ihnen

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