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Der Fall der Feste

Der Fall der Feste

Titel: Der Fall der Feste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horus W. Odenthal
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Austausch von Blicken zwischen Darachel und Nadragír wahr, dann war der Ninraé fort.
    „Was geht zwischen euch vor?“, fragte Auric, kaum dass sich die Tür hinter Darachel geschlossen hatte.
    „Zwischen mir und Nadragír?“, fragte Darachel zurück.
    Auric spreizte seine Hände in offener Geste. Was immer in der Luft lag, es betraf nicht nur die beiden.
    „Du hast unser Streitgespräch in der Halle des Neuen Rings mitbekommen“, sagte Darachel. „Du hast gehört, was Lhuarcan gesagt hat.“
    „Du misstraust ihnen seitdem?“
    Darachel wand sich.
    „Ich weiß nicht, was ich denken soll“, sagte er schließlich. „Ich weiß nicht, was ich von ihnen halten soll.“ Die Stirn des Ninra legte sich in Falten. Sein Blick ging in die Ferne und er schüttelte den Kopf. „Wo stehen die anderen? Béal, Cedrach. Fianaike. Sie alle. Bruc. Ich kann mir nicht sicher sein. Ich muss damit rechnen, dass, wenn es hart auf hart kommt, sie sich alle von mir distanzieren. Dass dann niemand mehr auf meiner Seite steht.“
    „Und?“
    Darachel wurde starr, sein Augen suchten schließlich die seinen. Er sah ihn mit versteinertem Blick an.
    „Verbannung“, sagte er. „Ausgestoßensein.“
    Sie hatten schon einmal darüber geredet, wie viel mehr die Isolation für einen Ninra bedeutete, für dessen feine Sinne das Gewebe sozialer Bindungen – Beziehungen so komplex und fremdartig, dass sie sich Aurics Verständnis entzogen – eine greifbare, ständig präsente Form gewann. Für einen Ninra, der im steten Bewusstsein von Aspirationsbindungen, aufsteigender Linie und was auch immer, lebte. Der sich unmittelbar tagtäglich als Teil eines sozialen Clusters erlebte und spürte, so sehr wie er sich auch als Einzelwesen wahrnahm.
    „Mein Vater hat die Gemeinschaft verlassen“, sagte Darachel schließlich. „Ich habe das nie verstanden. Nicht wie es ihm möglich war, das zu tun, nicht seine Gründe. Ich habe Angst, dass ich sein Schicksal wiederhole.“
    Darachel wandte sich ab, ging ruhelos im Zimmer umher, blieb schließlich beim Fenster stehen. Er sah seinen Umriss, der sich dunkel vor dem Ausblick auf die Ebenen des Zwielichtlandes abzeichnete.
    „Du erinnerst dich, dass wir über die Wanderer sprachen“, hörte Auric Darachel noch immer von ihm abgewandt und in die Tiefe blickend sagen. „Wesen die alleine und weitab von den Gemeinschaften aller anderen Wesen das Land durchziehen. Von allen anderen entfremdet. Allen anderen lebenden Wesen mehr wie eine Wolke am Himmel als wie ein anderes fühlendes Geschöpf. Für die, die das seltene Glück haben, einen von ihnen zu Gesicht zu bekommen, allenfalls ein melancholischer, trauriger Anblick.
    So ähnlich wie das der Wanderer musst du dir das Schicksal eines ausgestoßenen Ninra vorstellen. Nur dass die Wanderer noch immer Teil einer weit verstreuten Gemeinschaft sind.“
    Auric spürte, wie sein Atem schwerer ging, je länger er dem Ninra zuhörte, je länger er beobachtete wie er sich in Zweifeln und Selbstmitleid wand. Am liebsten wäre er zu Darachel herübergegangen, hätte ihn bei den Schultern gepackt und hätte ihn geschüttelt.
    „Ist das so“, war alles, was er zwischen zusammengebissenen Zähnen sagen konnte. „Steht das so geschrieben?“
    Der Ninra hatte wohl den Grimm in seiner Stimme gehört und drehte sich überrascht um.
    „Ich weiß nichts von der Welt da draußen, hast du gesagt.“ Während er sprach, sah Auric seinem Ninra-Freund fest ins Gesicht. „Aber ich würde gern mehr davon hören. Du wolltest, dass ich dir davon erzähle. Das habe ich getan.“ Der schaute ihn noch immer aus   trübsinnigen Augen an. Wie ein Lamm auf dem Weg zur Schlachtbank.
    Er schüttelte hilflos den Kopf, es war ihm unerträglich, seinen Freund so zu sehen.
    „Hast du irgendetwas davon gehört? Hast du irgendetwas verstanden? Gibt es für dich immer noch nichts mehr als verfeinerte Webschaften und Schicksale und Unentrinnbarkeit?“
    Darachel sah ihn sprachlos an. Sein Mund öffnete sich, als wollte er etwas sagen, doch es kam kein Wort. Auric hörte in seinem Geist das klackernde Verschieben von Kenan-Steinen, sah die Formen sich verändern, sah, wie schließlich in der Mitte eine Fünfer-Konstellation sich formte. Er sah das Gesicht der Vikarin Berunian im Licht einer am Deckenbalken schaukelnden Laterne. Der schmetternde Keil des Himmels zerbricht die standhafte Feste.
    „Himmelsriff ist für dich nicht deine Heimat“, sagte Auric. „Es ist dein

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