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Der Fall Maurizius

Der Fall Maurizius

Titel: Der Fall Maurizius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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könne er sich seine Rücksichtslosigkeit nicht verzeihen; »überhaupt, es soll ja bloß ein fliegender Besuch sein«, fuhr er mit betulicher Handbewegung fort, »ich möchte um keinen Preis zur Last fallen. Um keinen Preis die Rekonvaleszenz verzögern. Denn in der Rekonvaleszenz befinden wir uns doch bereits, nach den beruhigenden Angaben der Dame draußen zu schließen.« – »Ich weiß nicht«, flüsterte Etzel, »mir ist wieder ziemlich schlecht . . . Aber wissen Sie, Professor, es ist so eklig, das Alleinsein in der Stube mit der schauderhaften Musik da drüben, schlafen kann ich ohnehin nicht, bleiben Sie doch noch . . .« – »Schön, schön, bedarf keiner Worte, ich bleibe solang Sie wollen, Mohl. Das wäre eine traurige Sorte Freundschaft, wenn ich da auskniffe. Soll ich stillesitzen? soll ich Ihnen was vorlesen? sollen wir plaudern? Sie müssen sich gar nicht anstrengen, ich werde schon für die Unterhaltung sorgen.«
    Was hat er vor? warum ist er auf einmal wieder eitel Honig? grübelte Etzel. Eine Sekunde lang erhaschte er durch die schwarzen Gläser hindurch den metallisch aufleuchtenden Blick Warschauers, und es lief ihm kalt über den Rücken. Das kurze Schweigen zwischen ihnen war wie die Pause zwischen dem Öffnen und Schließen einer Tür. »Es geht mir nicht um die Unterhaltung«, sagte er dann mit der verdrossenen Wehleidigkeit eines Fiebernden, »hab mir auch nicht eingebildet, daß ich stumm dalieg und Ihnen zuhör, wenn Sie von was Xbeliebigem sprechen. Es handelt sich nicht um was Xbeliebiges . . .« – »Sondern, sympathischer Mohl?« – »Um das, weswegen Sie mich vorgestern hinausgeschmissen haben.« – »Hinausgeschmissen ist ein hartes Wort. Wirklich, lieber Mohl, eine zu krasse Bezeichnung für eine cholerische Äußerung der Ungeduld. Wär es so schlimm gemeint gewesen, wär ich dann hier? Könnt ich dann mit gutem Gewissen an Ihrem Bett sitzen?« – »Ich weiß nicht, warum Sie da sind, Professor, wahrscheinlich haben Sie doch kein so gutes Gewissen. Ich weiß überhaupt nicht, warum Sie sich mit mir abgeben. Was finden Sie denn an mir? Was kann Sie an mir interessieren? Und wenn Sie was an mir finden, warum spielen Sie mit mir wie die Katze mit der Maus?« – Warschauer unterdrückte ein Lächeln. Er malmte mit dem Kiefer. »Was ich an Ihnen finde, kleiner Mohl? Ich habe nicht darüber nachgedacht, offen gestanden. Ich bin in dem Punkt zu animalisch veranlagt.« – Etzel runzelte die Stirn. »Das glaub ich Ihnen nicht, Professor. Sie wissen in jedem Moment, was Sie tun und warum Sie es tun.« – »Ah, Sie halten mich also für einen weitschauenden Intriganten?« – »Das vielleicht nicht. Sie sind mir nur über, Sie sind mir ungeheuer über, und Sie nützen den Vorteil unanständig aus.« – »Das ist frech, Mohl.« – »Das ist wahr.« – Warschauer machte Hm und wieder Hm und rückte an der Brille herum. »Sie regen sich unnütz auf, Mohl«, sagte er, »Sie sollen sich nicht aufregen. Haben Sie kein Fieberthermometer? Die Augen glänzen verdächtig. Nur Ruhe, nur Ruhe. Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann. Wenn Sie das beruhigt . . . Ich meine die Definition, was mich an Ihrer Person fesselt. Es ist in der Tat nicht einfach. Ihr temperamentvoller Ausfall neulich, der mich zu einer energischen, ich gebe zu, einer etwas allzu energischen Maßregel zwang, hat gewisse Vermutungen bestätigt. Ich hätte mit Ihnen gespielt, Mohl? Eine kühne Verdrehung. Mir will vielmehr scheinen, Sie hätten mit mir gespielt oder wenigstens den Versuch dazu gemacht. Hand aufs Herz, wie ist es, wie war es?«
    Na, da sind wir ja in mediis rebus, dachte Etzel mit einer Mischung von Bangigkeit und Erleichterung und drückte unter der Bettdecke die Hände zusammen. »Keine Spur«, antwortete er etwas befangen, »ich hab Ihnen ja gleich am Anfang gesagt, was ich will. Damit hat es doch begonnen, daß ich Sie fragte, ob Sie den Maurizius für schuldig halten. Sie sind mir aber ausgewichen. Jedesmal, wenn ich davon geredet habe, sind Sie mir ausgewichen oder haben sich über mich mokiert. Und zuletzt wieder.« – Warschauer verzog skurril das Gesicht. »Was hätte mich denn veranlassen sollen, einem hergelaufenen Dreikäsehoch meine wahre Meinung aufs Butterbrot zu schmieren? Da wir die Sache nun einmal seriös behandeln, Sie sehen, ich nehme Sie ganz ernst, als ob ich einen Delegierten des Vereins für Menschenrechte vor mir hätte, jedenfalls können Sie sich nicht mehr über mich

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