Der Fall von Katara
Planeten oder Sonnensysteme, die sich sehr nahe waren, oft im Nachbarschaftsstreit lagen. Folglich hatte jeder sein Säckchen zu tragen.
Es schien auch generell das Schicksal von Tenemos zu sein, dass er im Inneren Zirkel von Orion nur ein zugereister Wanderplanet war, der eine kleine astronomische Nische im interstellaren System besetzte. Wander- oder Waisenplaneten, waren in der Regel gern gesehene Gäste, solange sie nur auf der Durchreise waren. Sobald sie sich niederließen und ein Sternensystem besetzten, wurden sie üblicherweise misstrauisch von den Nachbarsystemen beobachtet, mit Vorurteilen behaftet und als planetarischer Brennpunkt gebrandmarkt, was auch auf Tenemos im Speziellen zutraf. So ergab es sich, dass Tenemos auch dazu benutzt wurde, um interstellaren Schrott auf ihm abzuladen. Das kostete natürlich eine Kleinigkeit, wodurch Katara immer reicher wurde. Doch von diesem Geld kam bei Erek nie etwas an, wobei er selbst schon die eine oder andere Müllschieberei hinter sich hatte.
Die Bewohner Poligäas standen unter interstellarem Schutz der Exekutive des Inneren Zirkels von Orion / Außenstelle Großer Hund bzw. VY-Canis-Mayoris (Senior). VY-Canis-Mayoris (Senior) war der große Bruder des vor zehn Millionen Jahren verpufften VY-Canis-Majoris (Junior) und lag von Sirius nur wenige Lichtjahre entfernt. Deswegen konnte man alle sechs- bis achthundert Jahre damit rechnen, dass eine Inquisitionsschiffsflotte der zwangsneurotischen, gesetzgeberischen Mayoren hier vorbeischaute, um nach dem Rechten zu sehen und um die Bewohner flottzumachen.
Doch diese Zeiträume waren für Erek so lang und unüberblickbar, dass er sich wenig darum scherte. Auch viele seiner Zeitgenossen hatten die Existenz der Mayoren verdrängt, verleugnet oder vergessen. Auf jeden Fall genoss man die Zeiträume zwischen diesen mayorischen Inquisitionsbesuchen, um sich vorwiegend den alltäglichen Gepflogenheiten zu widmen, damit der interzirkuläre Wirtschaftskreislauf des interstellaren Marktes nicht kollabierte. Fast alles bis auf Flora und Fauna florierte in Katara; und das war auch nicht zu übersehen. Der Staat war augenscheinlich groß, reich und allgegenwärtig. Manche behaupteten sogar, dass das Geld in Usiris auf den Straßen läge. Doch Erek wusste, dass das eine dreiste Lüge war, die von Menschen verbreitet wurde, die sich noch nie in ihrem Leben bücken mussten. Es wurden zwar viele Euros dafür ausgegeben, damit alles im Überfluss vorhanden war, sodass die unterschiedlichen Bevölkerungsschichten unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen konnten, aber das Geld kam bei den Armen nicht wirklich an, sondern versickerte nur in sinnlosen Baustellen. Manchmal kam es Erek so vor, dass die ganze Stadt eine einzige Baustelle wäre. Bisher kam er schon an zehn Baustellen vorbei.
Katara war auch von vielen undurchsichtigen Organisationen durchsetzt, deren Einfluss übermächtig erschien. Allein die Müllmafia verdiente nicht schlecht daran, dass der gesamte interzirkuläre Wohlstandsmüll benachbarter Zivilisationen nach Tenemos verfrachtet wurde. Es entstanden riesige Schrottindustrien in Katara, die darauf spezialisiert waren, den Müll perfekt zu verwerten. Aber die Sache hatte auch etwas Gutes. Idealerweise wurden damit fast alle Krater aufgefüllt, mit denen die Hochebene von Katara früher übersät war. Glücklicherweise kam auf Tenemos auch nur hochtechnologischer Schrott an. Der atomare, biologische und chemische Müll wurde fachgerecht im Schwarzen Loch der Milchstraße entsorgt, sofern es möglich war. Wenn man jedoch eher am Rand der Milchstraße lag, katapultierte man den Schrott in den leeren Raum zwischen den Galaxien, wo noch genug Platz vorhanden war. Somit musste man auch nicht befürchten, andere Galaxien mit dem Schrott zu treffen. Und auch wenn, dann wären sie viel zu weit weg gewesen, als dass sie hätten vorbeikommen können, um sich zu beschweren, weil die intergalaktische Raumfahrt noch nicht erfunden wurde. Man war schon zufrieden, wenn man einmal telefonisch durchkam und mit einem vernünftigen Gesprächspartner in der Andromeda-Galaxie verbunden wurde.
Erek erreichte endlich die katarische Staatsbibliothek, in der er sich auch gerne in seiner Freizeit aufhielt. Die Stadt Usiris gab sich besonders Mühe, der gesamten Anlage etwas Würde und Respekt abzutrotzen, obwohl man strenge Bauauflagen hatte, weil die Gegend von Sandstürmen und allem, was sonst noch so mit Sand zu tun hatte, heimgesucht
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