Der Fall von Katara
den bionischen Schultern und beteiligten sich nicht an der Diskussion. Frau Alonis spürte die momentane Verwirrung und beharrte weiterhin auf ihren Wunsch.
„Könnte einmal jemand meine Gasmaske herunternehmen, damit ich meine letzte Gesundheitszigarette rauchen kann? Ich verstehe sowieso nicht, was das ganze Theater hier soll? Dachtet ihr wirklich, dass wir Milzbrandbomben abgeschossen hätten? Nein, bestimmt nicht. So dumm sind wir auch wieder nicht. Und ein paar Schweineviren können doch so harten Burschen wie euch nichts anhaben? Na, wäre jemand so freundlich? Ich beiße euch sicher nicht“, schimpfte die Schwarze Dame und zeigte eindeutige Anzeichen von Suchtverhalten. Zardosch rauchte auch sehr gerne und wollte sich nicht als Unterdrücker präsentieren, zumal er immer Substanz-Toleranz gepredigt hatte. ( Im kleinen Freundeskreis, selbstredend.)
„Naja. Muss das jetzt sein? Wir haben nicht mehr so viel Zeit übrig, weil ein mächtiger Sturm aufzieht“, meinte Zardosch. Frau Alonis blieb aber hart wie Kopfnussholz und ließ nicht davon ab, ihr Anliegen durchzusetzen.
„Ja, das muss sein! Laut dem Kaphehager Kriegs- und Friedensabkommen, woran wir uns doch alle bitteschön halten mögen, hat jeder Gefangene ein Anrecht auf eine Gesundheitszigarette und einen Schluck Wasser unmittelbar nach seiner Festnahme“, rief sie Zardosch ins Gewissen. Dieses Argument ließ sich leider nicht wegdiskutieren, sodass er nicht anders konnte, als ihrem Willen stattzugegeben.
Also beauftragte Zardosch einen nebenstehenden Hyper-Nekrodonten, dem Wunsch der Schwarzen Dame auf eine Gesundheitszigarette zu entsprechen und ihr die Gasmaske vom Kopf zu nehmen. Der aufmerksame Hyper-Nekrodont erledigte, ohne zu murren, geschickt diese Aufgabe. Nachdem er ihre Gasmaske abgezogen hatte, blickten Erek und Zardosch in das Gesicht der Schwarzen Dame und stellen dabei fest, dass ihre Augen verätzt waren und auszulaufen schienen. Man sah nur noch das Weiß der Augäpfel. Auch ihr kahler Schädel glänzte in der Morgensonne. All das entstellte ihre Schönheit ganz und gar nicht, sondern machte sie zu einer magischen Erscheinung. Sie glich einer der Wahrsagerinnen aus geraumer Vorzeit, die in den Wäldern Lithoborias gewohnt hatten und imstande gewesen waren, die Zukunft wie Bilder vor ihrem geistigen Auge zu sehen. Das Alter der Schwarzen Dame war auch nicht mehr ermittelbar. Trotz oder vielleicht auch wegen der vielen Gesundheitszigaretten hatte sie eine straffe und zugleich zarte Haut. Sie stand seelenruhig da, als wäre nie etwas gewesen, während ihre Arme weiterhin auf dem Rücken verbunden blieben.
„Danke! Und nun? Habt ihr Angst vor meiner Tasche? Ihr seht doch, dass ich euch nichts mehr tun kann. Gewährt mir diese letzte Gnadengesundheitszigarette, bevor mich die Mayoren auf Entzug schicken, was wohl eine ihrer schlimmsten Foltermethoden ist!“, bat sie Zardosch inständig und kitzelte sein Ehrgefühl.
Zardosch hatte keine andere Wahl mehr. Er war schließlich der Sieger und musste sie wie eine Strafgefangene behandeln. Er wollte nicht vor ein yakkisches Militärgericht gestellt und unehrenhaft entlassen werden.
„Na gut. Wo ist die Packung? In Ihrer Tasche?“, fragte Zardosch, hob die Tasche mit zwei Fingern auf und gab sie einem der Hyper-Nekrodonten, der für die Schwarze Dame zuständig war. Der geflügelte Freund nahm die Saumagentasche an sich und suchte kopfschüttelnd die Glimmstängel heraus. Als er die Packung gefunden hatte, schnippte er auf deren Boden, sodass eine Gesundheitszigarette hochflog, die er elegant mit zwei Fingern aufzufangen vermochte. Dann steckte er die Gesundheitszigarette vorsichtig zwischen die Lippen von Frau Alonis hinein und wartete eine Weile neugierig ab. Frau Alonis spürte, dass sie das falsche Ende im Mund hatte, weil sie scharfschmeckende Brösel von Nachtschattengewächsen auf die Zunge bekommen hatte.
„Anders herum, bitte!“, bettelte sie und ließ sich von dem lernwilligen Hyper-Nekrodonten die Gesundheitszigarette wieder von den Lippen abnehmen. Sie spuckte die Tabakbrösel auf den Boden aus und bekam anschließend das andere Ende der Gesundheitszigarette in den Mund gesteckt. Der Hyper-Nekrodont begutachtete sein Werk und blickte verunsichert zu Zardosch und Erek hinüber. Sie nickten ihm wohlwollend zu und gaben dadurch zu verstehen, dass er alles richtig gemacht hatte. Der Hyper-Nekrodont war sichtlich erfreut und rang sich ein bionisches Lächeln ab. Interessiert
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